Titel: Als es passierte
Autor: Christian
eMail: lonz@d.n-r-w.de
Kategorie: AU, Hc, 1st
Spoiler: Lebenslinien (Point of View) und ein paar andere
Staffel: 3. Staffel
Home: Stargate Atlantis Pandora
Inhalt: Gibt es ein Leben nach dem Stargate?


Als es passierte

"Als es passierte
stand die Sonne schon hoch am Himmel.
Der Nachmittag brachte eine Antwort, und die Erlösung.
Wieder zuhause aus der dunklen, fremden Zukunft
Wieder zuhause, denn er war nicht fortgegangen."
     - Paula, Als es passierte


Alles fing damit an, daß ich mir die Folge "Lebenslinien" zum dreizehnten Mal anschaute. Wie die zwölf Male zuvor hing ich aufgeregt am Bildschirm und murmelte jedes einzelne Wort mit: "Was bedeutet das für Sie. Diese Zwillingsnummer?" - "Haben Sie ein paar Stunden Zeit?" - "Äh, naja, okay!" - "Äh, das WAR die Antwort." - "Uhm, ah ja ..." - "Gute Nacht, Sir." - "Gute Nacht, Major."

Später stand ich bestimmt 10 Minuten vor meinem Badezimmerspiegel und blickte mich unverwandt an. Mein Spiegelbild starrte mit gleicher Entschlossenheit zurück, schien mich geradezu herauszufordern. In welcher Realität steckst DU? Ich streckte meine rechte Hand aus. Mein Ebenbild tat es mir gleich - mit seiner linken Hand. Als wir uns berührten, passierte nichts - natürlich nicht.

Als ich später am Tag in meinem Bett erwachte, wußte ich nicht, wie ich dahin gekommen war. Müde stand ich auf und blickte auf die Uhr. Ich hatte zwei Stunden geschlafen. Immer noch groggy schlurfte ich ins Wohnzimmer, und bemerkte es sofort. Meine Stargate-Sammlung war fort!

Hatte mich ein Einbrecher von hinten niedergeschlagen und meinen wertvollsten Besitz geraubt? Nein, das konnte nicht sein. Schließlich hatte ich vor dem Spiegel gestanden, das macht es ziemlich schwierig, sich von hinten unbemerkt zu nähern. Außerdem: Welcher Einbrecher würde meine Stargate-Sammlung klauen und dafür die ersten drei Staffeln von Star Trek: The Next Generation hinstellen? Und mein Amanda Tapping-Poster von der Wand nehmen und gegen ein Star Trek-Poster austauschen? Verwundert kratzte ich mich am Kopf. Irgendetwas war hier oberfaul!

Die nächste Station war mein Computer. Es fehlten ein paar Notizen, die ich auf den Rand des Monitors gekritzelt hatte, und als ich das Startup-Bild sah, verschlug es mir glatt die Sprache: Wer zur Hölle hatte das SG-Logo gegen ein Star Trek-Logo ausgetauscht? Doch das Schlimmste stand mir noch bevor: Alle Files, die auch nur im Entferntesten mit Stargate zu tun hatten, waren nicht mehr vorhanden! Es war fast so, als wäre das Thema Stargate aus meinem Computer gestrichen worden. Wütend blickte ich mich um und erwartete als nächstes, daß einer dieser Verstehen Sie Spaß-Fritzen zur Tür hereinspaziert kam. Der würde zu seinem Leidwesen feststellen müssen, daß es Dinge gab, bei denen der Spaß für mich ganz schnell aufhörte!

Als ich mich ins Internet einloggte, mußte ich feststellen, daß sogar meine Stargate-Bookmarks gelöscht worden waren. Das konnte doch wohl nicht wahr sein! Also gab ich von Hand ein: "http://www.stargatesg-1.com", und bekam nach einigem Warten die Antwort: "The requested URL could not be retrieved". Wie bitte? Ich gab die Adresse noch einmal ein. Ich erhielt dieselbe Antwort. Was ging hier vor sich? War der Showtime-Server am Boden? Ich seufzte und gab die zweite Adresse ein, die ich noch im Gedächtnis hatte: "http://pluto.spaceports.com/~amanda". Wieder teilte mir der Browser mitleidlos mit: "The requested URL could not be retrieved".

Langsam bekam ich Kopfschmerzen. Für die nächste Adresse war noch ein Bookmark vorhanden: "http://www.yahoo.com". Und tatsächlich - endlich hatte ich mal eine Adresse eingegeben, die der Browser erkannte. Als Suchbegriff gab ich "Stargate" ein und schon nach wenigen Sekunden erhielt ich ein paar Links. Aber kein einziger davon hatte mit der Serie oder dem Kinofilm zu tun! Na schön, der nächste Suchbegriff war "Stargate SG1". Die Antwort lautete "Sorry, no results were found". Das gleiche bei den Suchbegriffen "Richard Dean Anderson", "Amanda Tapping", "Michael Shanks" und "Christopher Judge". Inzwischen war ich sehr blaß geworden und setzte mir erst einmal einen starken Kaffee auf - Kaffee existierte zum Glück noch in dieser Realität.

Solcherweise gestärkt wandte ich mich wieder meinem Browser zu und drang weiter auf die Suchmaschine ein. Der nächste Suchbegriff war wirklich verschlagen - ich mußte mir selbst gratulieren. Er lautete "MacGyver".

"Sorry, no results were found"

Die Kopfschmerzen waren schlagartig wieder da. Irgendjemand oder Irgendetwas hatte das Thema Stargate und alles was damit zu tun hatte vollständig aus meiner Welt gestrichen. Das einzige was mir geblieben war, war meine Erinnerung. Es war fast so, als befände ich mich in einem ...

Ich sprang auf und rannte ins Badezimmer. Dort baute ich mich vor dem Spiegel auf und herrschte mein Spiegelbild an: "Laß mich sofort wieder frei aus dieser trostlosen Hölle!" Ich berührte den Spiegel wieder und wieder und tobte wie ein Wahnsinniger. Hätte mich in diesem Moment jemand beobachtet, wäre ich ohne großes Federlesens in die Klapsmühle eingewiesen worden. Völlig entkräftigt und den Tränen nahe setzte ich mich zurück an meinen Computer. Mit wehem Herzen gab ich einen letzten Suchbegriff ein: "Samantha Carter".

Und ein einzelner Link erschien: "Samantha Carter, Dr., MIT, astrophysic research laboratory results". Mit zitternden Fingern klickte ich den Link an und befand mich als nächstes auf einer häßlichen Seite, die statt umfangreichem grafischen Layout eine Unmenge Text aufwies, von dem ich höchstens jedes zehnte Wort verstand. Jetzt weinte ich wirklich. Ich hatte sie tatsächlich gefunden! Der Spiegel hatte mir eine Illusion geraubt und mir dafür die Wirklichkeit geschenkt.

Daß Träume lieber Träume bleiben sollten, war mir damals noch nicht klar. Oder ich ignorierte einfach die warnende Stimme in meinem Hinterkopf. Sie sollte mich später noch viel lauter heimsuchen.

***

Der Taxifahrer war ziemlich überrascht, als ich ihm die Adresse nannte: Cheyenne Mountain Facility. Aber als ich ihm ein saftiges Trinkgeld in Aussicht stellte, fuhr er bereitwillig los. Mein Herz raste und ich versuchte, meine wirbelnden Gedanken unter Kontrolle zu bekommen.

Ich hatte mir gleich nach dem Ereignis mit dem Spiegel eine Woche Urlaub genommen und mir ein Flugticket nach Denver gekauft. Auf ein Rückflugticket hatte ich verzichtet. Ich hatte nicht vor, zurückzukehren. In Denver hatte ich einen alten Bekannten aus dem Fandom besucht - natürlich nicht das Stargate-Fandom, genauso wie ich selbst schien er nun ein Trekki zu sein. Wir unterhielten uns einen ganzen Tag lang über Kirk und Spock, und am nächsten Tag fuhr ich mit dem Zug nach Colorado Springs. Ich hatte mich entschlossen, meinen Bekannten nicht einzuweihen. Er hätte mir ohnehin kein Wort geglaubt.

Ich hatte mir vorgenommen, einfach am Tor der Basis zu erscheinen und zu verlangen, zum Stargate-Center vorgelassen zu werden. Bei Hathor hatte das schließlich auch funktioniert. Leider besaß ich nicht ihre Kräfte. Ich mußte schlucken. Den Reporter hatten sie einfach überfahren. Die Geschichte mit dem Unfall hatte ICH niemals geglaubt, ebensowenig wie O'Neill.

Viel zu schnell hatten wir den Eingang der Mountain Facility erreicht, und ich hatte mir immer noch keinen Plan zurechtgelegt. Der Taxifahrer kassierte ab und fragte mich, ob er noch warten solle, doch ich schickte ihn weg. Damit riß ich die letzte Brücke hinter mir ab und trat schweren Herzens auf den Eingang zu. Die Wache begrüßte mich sogar relativ freundlich: "Guten Tag, was kann ich für Sie tun?"

"Ich muß mit General Hammond sprechen."

Die Wache warf mir einen abschätzenden Blick zu. "Weisen Sie sich bitte aus, Sir."

Ich wußte mir nicht anders zu helfen und händigte dem Soldaten meinen Personalausweis aus.

"Deutscher, hm? Sind Sie sicher, daß Sie hier richtig sind? Das ist militärisches Sperrgebiet."

"Ich muß unbedingt mit dem General sprechen."

"Ich glaube nicht, daß ich Sie passieren lassen darf. Wenden Sie sich doch bitte an unsere Dienststelle in Colorado ..."

"Es geht um das Stargate." Da. Ich hatte es gesagt. Innerlich schloß ich die Augen und rechnete jederzeit damit, erschossen zu werden.

"Bitte warten Sie hier!" wies mich die Wache an und sprach leise in ihr Funkgerät. Die Miene des Soldaten wurde immer finsterer. Gleich würde er mich erschießen.

"Sir, ich muß Sie vorübergehend in militärischen Gewahrsam nehmen. Bitte widersetzen Sie sich nicht, oder ich muß von der Schußwaffe Gebrauch machen."

Ich widersetzte mich nicht. Zehn Minuten später fand ich mich in einer einsamen unterirdischen Zelle wieder und vernahm meine innere Stimme zum ersten Mal laut und deutlich. Was hatte ich mir eigentlich dabei gedacht, einfach hier hereinzuspazieren? Was sollte ich denen sagen? "Hallo Leute, ich habe alle eure Folgen gesehen. Ich bin euer größter Fan! Ist das das Stargate? Darf ich das mal berühren? Wann geht die nächste Mission los? Kann ich mitkommen? Ich fasse auch bestimmt nichts an."

In welcher Staffel befand ich mich überhaupt? In der dritten? Oder bereits in der vierten? Mußte ich aufpassen, daß ich nichts verriet, was erst noch geschehen würde? Oder hinkte ich der Zeit hinterher - von der vierten Staffel hatte ich nur ein paar Gerüchte aufgeschnappt.

Während ich noch rätselte, öffnete sich plötzlich die Tür - mein Herz machte einen Sprung - aber es war nur irgendein gesichtsloser Kerl, der sich als Lieutnant Waterson vorstellte und es sich an dem großen Metalltisch mir gegenüber gemütlich machte. Er stellte ein Tonbandgerät auf den Tisch und schaltete es ein. Dann lehnte er sich zurück: "So, Mister, dann legen Sie mal los!"

"Äh, womit denn?"

"Na, irgendwelche Hirngespinste werden Sie wohl hierhergeführt haben? Erzählen Sie mir davon! Ihr Englisch ist übrigens ganz gut. Man hört den deutschen Akzent kaum heraus."

Hirngespinste? SO wollten sie mich also drankriegen! Ich grinste hämisch. Na schön, entweder hatte ich mir das alles tatsächlich nur eingebildet, dann würde mich nichts davor retten, in die nächste Heilanstalt eingewiesen zu werden. Oder es war alles wahr. Dann würde ich diesem Lieutnant den Schreck seines Lebens einjagen.

"Ich weiß von dem Stargate", begann ich unheilsschwanger.

"Was soll das sein - das Stargate?"

"Ein großer Ring von etwa zwanzig Fuß Durchmesser, bestehend aus dem Quarzmetall Naquadah. Wurde im frühen 20. Jahrhundert in Ägypten gefunden. Es besteht aus einem äußeren stationären Ring und einem rotierenden inneren Ring mit 39 Symbolen, die bekannte Sternbilder darstellen. Wenn man eine gültige Sequenz eingibt und es mit einem Neutrinoimpuls füttert, öffnet es ein künstliches Wurmloch zum Ziel-Stargate. Eine gültige Sequenz besteht aus sieben Symbolen, sechs für den Zielort und ein siebtes für den Ursprungspunkt. Ich kann ihnen ein paar Sequenzen aufschreiben, wenn Sie wollen. Die von Chulak zum Beispiel. Wenn das Wurmloch zu nahe an eine Sonnenerruption gerät, funktioniert es wie eine Zeitmaschine - und dann hat man wirklich ein Problem."

Ich mußte dem Lieutnant wirklich ein Lob aussprechen, wie er da saß und seine lockere Haltung aufrechterhielt. Man hätte fast meinen können, das ganze hätte ihn nicht im Mindesten berührt. Deshalb hatte ich die Sache mit der Zeitmaschine eingebaut - davon wußte er wahrscheinlich selber nichts. Diese letzte Information brachte seine Mundwinkel zum Zucken, bis er sich wieder unter Kontrolle hatte.

"Das ist wirklich eine interessante Geschichte. Wieso schreiben Sie nicht ein Buch darüber?"

"Das würde ich ja - aber es käme mir wie ein Diebstahl geistigen Eigentums vor. Auch wenn es alles wahr ist - hier."

"Was meinen Sie mit ‚hier'."

"Naja, in dieser Realität." Ich hatte keinen Grund, mit der Wahrheit hinterm Berg zu halten.

"Sie meinen, Sie haben einen Realitätsverlust erlitten?"

"So ähnlich. Ich stamme eigentlich aus einem alternativen Universum. Sie wissen schon - die Spiegelnummer." Ich zwinkerte ihm verschwörerisch zu.

Der Lieutnant erhob sich: "In Ordnung, damit beenden wir die erste Sitzung. Wir werden uns später ausführlicher unterhalten." Eilig verließ er den Raum.

Ich konnte zwar keine Kamera erkennen, aber trotzdem war ich sicher, daß an anderer Stelle dieser Anlage gerade mehrere Augenpaare bestürzt auf einen Monitor blickten, der mein Abbild zeigte. Als nächstes würden sie mir sicher keinen Lieutnant mehr schicken. Zufrieden lehnte ich mich zurück und begann zu singen: "Row, row, row your boat, gently down the stream ..."

***

Live is but a dream!

Nun bin ich schon seit vier Monaten hier. Zuerst wußten sie nicht recht, was sie mit mir anfangen sollten, aber schließlich stellten sie mich als Wartungstechniker für den Supercomputer ein, der das Stargate steuert. Ich bin ein ganz kleines Licht und träume immer noch davon, eines Tages durch das Stargate zu gehen - die Möglichkeit ist nun deutlich realistischer geworden. Und ich bin in ihrer Nähe. Samantha Carter ist ganz anders, als ich sie mir immer vorgestellt habe. Viel realer, verletzlicher. Weniger perfekt. Ich mußte feststellen, daß ich sie mag - nicht mehr und nicht weniger. Ich hoffe, sie bekommt ihren Jack. Ich selbst habe inzwischen eine schnuckelige Airforce-Soldatin kennengelernt, die als Lieutenant in SG-6 Dienst tut. Die Realität hat mich eingeholt.

Alles kann passieren.