Titel: Nova
Autor: Christian
eMail: lonz@d.n-r-w.de
Kategorie: Drama, Sam, Klassische SF
Spoiler: Exodus
Inhalt: Sam muß sich mit den Folgen ihres Handelns auseinandersetzen. Außerdem ein Blick in die mögliche Zukunft des Stargate-Universums.
Anmerkung: Diese Geschichte enthält sehr viel Science Fiction und relativ wenig Stargate. Alle Samantha Carter-Fans dürften allerdings auf ihre Kosten kommen. Die astrophysikalischen Angaben und Fakten habe ich versucht so akurat wie möglich darzulegen, ohne Rücksicht darauf, daß dem Leser womöglich der Kopf schwirrt vor lauter Daten.
Widmung: Ich möchte die Geschichte Prof. Dr. Harald Lesch widmen, dessen Fernseh-Reihe "Alpha-Centauri" (läuft auf BR-alpha und in der Space Night des bayerischen Rundfunks) mir über viele Dinge die Augen geöffnet hat und der sich wahrscheinlich den Kopf hält, wenn er sieht wie ich in dieser Geschichte in bester Science Fiction Tradition die Naturgesetze verbiege, um eine spannende Geschichte zu erzählen.
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Disclaimer: Stargate SG-1 und alle Stargate Charaktere sind Eigentum von Showtime/Viacom, MGM/UA, Double Secret Productions, and Gekko Productions. Diese Geschichte wurde lediglich zu Unterhaltungszwecken geschrieben und kein Geld wird mit ihr gemacht. Archivieren nur mit Erlaubnis des Autors.



NOVA


Die Hauptdarsteller

Samantha Carter ................... Amanda Tapping
Ben Forster ....................... Ben Afflec
Marshal Davis ..................... Marshal Tighe
Ellie Arroway ..................... Jodie Foster



Jahr 2001

"Stimmt etwas nicht?"

"Nein, nein. Ich hab nur noch nie ... einen Stern hochgejagt."

"Nun, wie sagt man? Das erste Mal ist immer das schwerste."

"Sir?"

"So sagt man ..."

***

Der Ring aus Naquada schwebt scheinbar schwerelos durchs All und dreht sich dabei langsam um seine Querachse. Die Sonnenwinde des nahen Zentralgestirns lassen das Energiefeld, in das er eingehüllt ist, im sanften spektralen Licht erstrahlen. Ein Anblick wahrer, kristallklarer Schönheit. Der Anblick des bevorstehenden Untergangs.

Der Ring ist alt. Er ist zu einer Zeit gebaut worden, als der erste Mensch der Erde seine fliehende Stirn ehrfurchtsvoll zum Sternenhimmel reckte und ihn Mangels besseren Wissens mit Göttern und Dämonen anfüllte. Obwohl der Ring einen Durchmesser von nur sechs Metern auweist, ist er in der Lage, die drei Dimensionen des Raumes zu zerreißen und die Gewalten des dadurch entstehenden Wurmlochs so weit zu zähmen, daß die im Vergleich zu diesen Naturkräften unvorstellbar fragile Form eines Kohlenstoff-basierenden Lebewesens gefahrlos hindurchtreten kann, um in wenigen Sekunden Milliarden und Abermillliarden von Kilometern zu überbrücken.

Die Tage dieses mächtigen Artefakts einer längst vergangenen Zivilisation sind gezählt. Menschen - Wesen ohne die geringste Vorstellung über seine wahre Funktionsweise - haben über sein weiteres Schicksal entschieden. Es soll zwischen den beiden einzigen Kräften zerrissen werden, die ihm etwas anhaben können: Der tobenden Fusionsenergie eines lebenden Sterns und der zermürbenden Gravitationskraft eines Schwarzen Lochs.

Der Stern ist noch weitaus älter als der Ring aus Naquada - unvorstellbare vier Milliarden Jahre. Geboren aus der stellaren Masse einer Supernova hat er seine turbulente Kindheit angenehm überstanden und stabilisierte ein System aus sechs Planeten in seinem Orbit, von denen es einer sogar schaffte, Leben zu entwickeln. Kärgliches Leben, aber nichtsdestotrotz Leben. Noch weitere vier Milliarden Jahre würde dieser Stern seinen Wasserstoff in Helium verbrennen und dabei die Planeten in seiner Umlaufbahn mit Energie versorgen, wenn nicht auch seine Tage bereits gezählt wären. Der Ring aus Naquada wird ihn mit einem anderen Teil der Galaxis verbinden, in der die zerstörerischste Kraft wütet, die dieses Universum kennt: Ein Schwarzes Loch.

Das Ende kommt schnell und ohne Vorwarnung. Das Energiefeld um den Ring erlischt und das Schwarze Loch beginnt die Masse des Sonnenkerns mit unvorstellbarer Geschwindigkeit durch das Wurmloch zu saugen. In den ausbrechenden kosmischen Gewalten verglüht der Ring im Bruchteil einer Sekunde, doch die Gravitationskraft des Schwarzen Lochs zieht mit so unvorstellbarer Macht, daß das Wurmloch trotzdem aufrechterhalten bleibt. Mehr noch, ohne die zähmende Kraft des Rings weitet es sich ins Uferlose aus. Für einen Moment erscheint es, als würde es den gesamten Stern mit einem einzigen Bissen kosmischer Proportionen verschlingen - doch es kommt anders.

Angezogen durch die extreme Schwerkraft stürzen die äußeren Hüllen des Sterns auf das in seinem Innern wütenden Wurmloch und beschleunigen dabei auf zwei Drittel der Lichtgeschwindigkeit. Beim Wurmloch angekommen prallen sie auf die Sternmasse, die sich bereits um dort aufgestaut und zur Dichte eines Neutronensterns zusammengequetscht hat. Der Aufprall ist zerstörerischer als alles, was diese Galaxis jemals gesehen hat. Auf einen Schlag verwandelt sich sämtliche Materie des Sterns in Energie und rast mit zweihundertausend Kilometern pro Sekunde wie eine kosmische Feuerwalze ins interstellare Medium hinaus. Gewaltig. Gnadenlos. Unaufhaltsam.

***

Jahr 2005

Der Holo-Vortrag ist zuende und die Lichter gehen wieder an. Vorn am Rednerpult steht eine großgewachsene blonde Frau in der Uniform eines Airforce-Colonels. Sie ist bleich und ihre Hände zittern leicht, trotzdem ist ihre Stimme nüchtern und läßt kein Zeichen von Nervösität erkennen: "Die Explosionskraft dieser künstlichen Supernova war etwa hundertmal stärker als die stärkste natürliche Supernova, die wir bis jetzt beobachten konnten. Unseren Berechnungen zufolge wird sie in einem Umkreis von fünfzig Lichtjahren jedes Sonnensystem vernichten und in einem Umkreis von insgesamt einhundert Lichtjahren jedes Leben durch harte Strahlung auslöschen. In diesem Bereich befinden sich insgesamt an die sechzigtausend Sonnensysteme, von denen im Durchschnitt jedes Hunderste ein Planetensystem aufweist, das Leben ermöglicht. Natürlich wird sich der Vernichtungsprozeß über einen Zeitraum von vielen hundert Jahren abspielen, aber es gibt keine Möglichkeit, ihn aufzuhalten. Abgesehen von einer einzigen. Nur die Asgard sind in der Lage, ein genügend großes Schutzfeld zu erzeugen, um einen Planeten von Erdgröße ausreichend vor schädlicher Strahlung zu schützen. Sie haben sich schon bereiterklärt, uns in dieser Angelegenheit zu unterstützen. Wir müssen nur die nötige Vorarbeit leisten, die gefährdeten Sonnensysteme zu analysieren und alle schützenswerten Planeten zu verzeichnen. Wie Sie sich denken können, habe ich mich selbst für diese Aufgabe vorgeschlagen, dazu ein paar ausgewählte Mitglieder des Nemesis-Teams. Ich hoffe, Sie alle haben die Notwendigkeit und Dringlichkeit dieser Mission erkannt und werden sie genehmigen. Vielen Dank."

***

Als der Astro-Geologe Ben Forster als erster Mensch seinen Fuß auf den Jupitermond Europa setzte, standen ihm die Tränen in den Augen, aber kein weltbewegender Satz kam ihm über die Lippen. Was hätte er auch sagen sollen? Armstrongs berühmter Satz "Ein kleiner Schritt für mich, ein großer für die Menschheit" war damals völlig berechtigt gewesen. Die Menschen hatten es damals tatsächlich geschafft, den Erdtrabanten mit Hilfe ihrer eigenen kümmerlichen Technologie zu erreichen und ein paar wagemutige Astronauten darauf abzusetzen. Das, was Ben Forster gerade tat, war etwas völlig anderes.

Trotzdem berühte ihn die Szene an einer Stelle seiner Seele, wo er seine innersten Träume und Wünsche aufbewahrte. Europa. Ein unbedeutender, ja beinahe als häßlich zu bezeichnender Mond, wenn man ihn aus einem höheren Orbit betrachtete. Und doch besaß dieser Mond etwas, was sie abgesehen von der Erde nirgendwo anders in diesem Sonnensystem gefunden hatten. Leben. Unter der selbst an den dünnsten Stellen mehr als hundert Meter dicken Eisschicht hatten sie einen Ozean aufgespürt - kein Ozean, wie man ihn von der Erde her kannte, sondern ein trübes Schlammgebräu, daß nur von der vulkanischen Aktivität des Mondes erwärmt wurde - und darin ... Leben. Winzige Mikroben, mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen. Aber nichtsdestotrotz Leben. Für ihn war das eine überwältigende Entdeckung gewesen. Der Beweis, daß die Erde nicht allein im Universum war. Natürlich wußte er von den Tausenden anderer Planeten, die man über das Stargate erreichen konnte, und die allesamt einladender waren als dieser atmosphärelose Eisklumpen, der um den Gasriesen Jupiter kreiste. Aber das war nicht das selbe. Irgendwie erfüllten ihn diese Mikroben mit Stolz ... und Ehrfurcht. Sie waren seine Brüder im Sonnensystem, ihnen fühlte er sich weit mehr verbunden als irgendwelchen Millionen von Lichtjahren entfernten Sternenzivilisationen. Der Astro-Geologe wußte, daß das ein kindischer Gedanke war und ihn die anderen Leute im Magellan-Team auslachen würden, wenn er ihnen davon erzählte. Nicht, daß er das vorhatte.

"Hey, Forster, alles klar bei dir?" Das war Davis. Ben seufzte. NASA-Pilot Marshal Davis war ein Mann wie ein Fels. Nicht nur sah er so aus, als wäre er direkt aus einer Gebirgsspitze gebrochen worden, er besaß auch das Feingefühl eines hundert Tonnen schweren Granitblocks.

"Ich bin okay, Davis", antwortete Forster widerwillig. Es war nicht so, daß er Davis nicht mochte. Der NASA-Pilot hatte durchaus seine netten Seiten, nur zeigte er sie eher selten. Heute benahm er sich mal wieder wie ein echter Rüpel. Mit einem kindlichen Eifer, den Ben für diese Situation als extrem unpassend empfand, sprang er aus dem Shuttle hinter ihnen und schwebte die verbleibenden fünf Meter im schwerelosen Fall hinunter.

"Ziemlich leicht, dieser Felsbrocken", merkte Davis an.

"Eisbrocken", korrigierte Forster. "Es ist ein Eisbrocken. Über neuzig Prozent Eis mit einigen Felseinschließungen."

"Ja ja." Davis winkte beschwichtigend ab. Manchmal machte der NASA-Pilot den Eindruck, als würden ihm all die Wunder, die um sie herum geschahen, nicht das mindeste bedeuten, und Forster fragte sich immer wieder, was den Mann dazu bewogen hatte, zur NASA zu gehen. Wahrscheinlich war es die Aussicht, mit allerlei Technik zu hantieren. Wenn es um Technik ging, war Davis sofort Feuer und Flamme und hatte nicht die geringsten Berührungsängste. Angst schien dem Piloten ohnehin ein Fremdwort zu sein. Als man nach Freiwilligen für eine Verschmelzung mit Tok'ra-Austauschoffizieren gesucht hatte, hatte sich Davis sofort freiwillig gemeldet. Irgendwie hatte Forster danach erwartet, eine Persönlichkeitsveränderung bei seinem Kollegen festzustellen, doch nichts dergleichen war geschehen. Er war immer noch der alte, aufbrausende Marshal Davis. Nur daß er nun auch bestens über die Funktion der von den Goa'uld übernommenen Technologie informiert war - und noch über manche Dinge mehr.

Nun steuerte Davis das intersolare NASA-Shuttel Magellan, dessen fünfköpfiges Team die Aufgabe hatte, alle Planeten und Monde des Sonnensystems aus nächster Nähe zu untersuchen. Für die NASA ging damit ein Wunschtraum in Erfüllung - der endgültige Übergang der Astrophysik von der theoretischen zur Feldforschung. Daß Forster dabei war, war allerdings eher ein Zufall. Zwar hatte er das MIT in den Fächern Astrophysik und Geologie mit Auszeichnung bestanden, aber seine persönlichen Differenzen mit einigen mächtigen Personenkreisen hatten ihm eine Karriere bei der NASA oder einer ähnlichen staatlichen Behörde immer verweigert. Also war er in den privaten Sektor gegangen und ein Öl-Bohrspezialist geworden.

Dann kam Nemesis. Ein zweihundert Kilometer durchmessender Erzbrocken aus Eisen und noch schwereren Elementen, der sich mit neunzigtausend Kilometern pro Stunde auf die Erde zubewegte. Ein Globaler Killer. Niemand hatte ihn bemerkt. Niemand hätte ihn jemals bemerkt, wenn die Menschheit nicht bereits über Sensoren verfügt hätte, die den Köpfen einer außerirdischen, längst vergangenen Kultur entstammten. Denn Nemesis war getarnt. Der Asteroid war Jahre vorher von einem Goa'uld-Systemlord auf den Weg geschickt worden, um die Erde zu vernichten und das ganze wie einen "Unfall" aussehen zu lassen (aufgrund irgendeines Vertrags, von dem Forster nur Gerüchte gehört hatte). Da der Asteroid die Erde zu einem Zeitpunkt bedrohte, als dieser Systemlord bereits tot war, lautete seine interne Bezeichnung auch "Kronos Rache". Auf der Erde erhielt er dagegen den weitaus bezeichnenderen Namen "Nemesis", der sich seither auch durchgesetzt hatte.

Damals konnten sie Nemesis buchstäblich in letzter Sekunde zerstören, nachdem sie in einer waghalsigen Aktion - obwohl es die Bezeichnung "Lebensmüde" wohl besser traf - viele gute Leute verloren hatten. Forster lief heute noch ein kalter Schauer den Rücken hinab, wenn er an die Zeit zurückdachte, die sein Leben maßgeblich verändert hatte. Danach waren die meisten überlebenden Mitglieder des Nemesis-Teams zusammen geblieben. Auf der Erde waren sie gefeierte Helden. Außerdem hatten sie eine Menge über die tatsächliche technische Entwicklung der NASA und deren Herkunft erfahren. Also hatte man sie einfach bei der NASA festangestellt.

Derweilen wurde die sprunghafte technologische Entwicklung der Öffentlichkeit nach und nach als "bahnbrechende Erfindungen" untergejubelt und bald war die bemannte Raumfahrt innerhalb des gesamten Sonnensystems keine Besonderheit mehr, ohne daß auch nur ein einziges Wort darüber verloren wurde, daß in Wirklichkeit außerirdische Intelligenzen für den neuen Boom in der Weltraumforschung verantwortlich waren. Forster konnte nur den Kopf schütteln, wenn er an die Leichtgläubigkeit der Leute dachte. Wenigstens hatte die Entwicklung dazu geführt, daß die Nationen der Erde noch dichter zusammenrückten - immerhin gehörten dem Magellan-Team auch zwei Russen an, die Astrophysikerin Dr. Svetlana Markov und der Kosmonaut Colonel Wanislev Antropov.

Forster hielt den Atem an, als er den Lichtschleier am Horizont erblickte. Jeden Augenblick war es soweit.

"Ah, die kackbraune Sonne geht gleich auf", bemerkte Davis und Forster zuckte innerlich zusammen. Er konnte das Gesicht des Piloten hinter dem reflektierenden Helmvisier zwar nicht erkennen, wußte aber, daß dieser gerade ein breites Grinsen auf den Lippen hatte. Teufel auch, von diesem Mistkerl würde er sich nicht das Schauspiel verderben lassen, dassen Zeuge er gleich werden würde!

Es war tatsächlich wie ein Sonnenaufgang, als Jupiter über Europa aufging. Aber was für einer! Die rotbraune Scheibe des Gasriesen füllte fast den gesamten Horizont aus und schien in einem eigenen inneren Licht zu erglühen. Es war ein so gewaltiger und überwältigender Anblick, daß es selbst Davis die Sprache verschlug. Riesenhaft und ehrfurchtgebietend schob sich Jupiter über den Himmel und ragte gebieterisch über ihnen auf. Forster fühlte, wie seine Knie allmählich zu Wackelpudding wurden, und wäre die Schwerkraft des Mondes nicht so schwach gewesen, er wäre auf die Knie gegangen, um den römischen Gott des Lichts und des Himmels zu lobpreisen.

Irgendwann holte ihn Dr. Markovs Stimme in die Realität zurück: "Dr. Forster. Bitte kommen."

"Forster hier", antwortete er mit heiserer Stimme.

"Wir haben gerade eine Nachricht aus Houston bekommen. Wir sollen unsere Untersuchungen möglichst schnell abschließen und dann zurückkehren."

"Was? Warum?"

"Anscheinend wird Ihre Mithilfe bei einer wichtigeren Mission benötigt."

***

"Sie haben die Mission genehmigt", verkündete Sam. In ihrer Stimme lag viel Erleichterung und Freude, aber auch eine Spur Resignation.

"Das freut mich für dich", antwortete Jack im unbestimmten Tonfall.

"Oh, Jack", seufzte Sam, "du hast dich immer noch nicht damit abgefunden?"

"Doch", entgegnete der Angesprochene. "Ich weiß, daß dein Lebensglück an dieser Sache hängt." Er hatte recht damit. Als sie vor etwa einen halben Jahr herausgefunden hatten, welches Ausmaß die von ihnen ausgelöste Supernova tatsächlich besaß, war Sam in eine tiefe Depression gefallen. Er hatte sogar Angst gehabt, sie nie wieder lächeln zu sehen. Diese Angst stellte sich jedoch als unbegründet heraus, denn die Astrophysikerin machte sich natürlich sofort an die Aufgabe, die schrecklichen Auswirkungen dieser kosmischen Katastrophe einzudämmen und hatte über ihre Arbeit - ihre geliebte Arbeit - ihren Lebenswillen zurückerhalten. Ihr Lächeln war nun wieder häufiger zu sehen, wenn auch von einer tiefen Melancholie gezeichnet, die sie wohl nie mehr ablegen würde. Für jemanden wie sie, der die Sterne über alles liebt, mußte es eine besonders schreckliche Erfahrung sein, den Tod so vieler Sonnensysteme heraufbeschworen zu haben.

Auch Jack mußte seufzen: "Sam. Ich habe damals die Entscheidung getroffen, den Stern in die Luft zu jagen. Wir alle waren der Meinung, es sei eine gute Idee. Warum nur lädst du all diese Schuld auf deine Schultern?"

"Das weißt du genau!" stieß Sam ärgerlich hervor. Sie hatten diese Unterhaltung im letzten halben Jahr schon unzählige Male geführt. "Es war meine Idee. Es waren meine Berechnungen. Ich habe auf den Knopf gedrückt. So ist es nun einmal."

"So ist es nun einmal."

"Ja, genau. Ich hätte es besser wissen müssen. Es war gefährlich. Es war kurzsichtig. Es war dumm. "

"Wir machen alle mal Fehler", versuchte Jack einzulenken.

"Und wenn wir sie gemacht haben, dann müssen wir auch dafür gerade stehen."

"Und was ist mit uns?", wandte Jack ein. "Hast du darüber mal nachgedacht? Was meinst du, wie lange du im All unterwegs sein wirst?"

"Ein paar Jahre wird es schon dauern."

"Ein paar Jahre! Genauso wie die paar Jahre, die wir im Kampf gegen die Goa'uld verloren haben. Und jetzt brichst du auf, um für eine Fehlentscheidung Buße zu tun, die wir alle mitgetragen haben. Und was kommt danach?"

"Ich weiß es nicht", sagte Sam unglücklich.

"Wir schmeißen unser Leben für andere Leute weg, Sam. Immer für andere Leute. Findest du nicht, daß es langsam Zeit wird, mal an uns zu denken?"

"Ich werde alle paar Monate zurückkehren." Sie wußte genau, wie das klang.

"Alle paar Monate? Aber das reicht mir nicht."

"Es reicht mir auch nicht. Aber es ist nicht zu ändern."

"Oh, Sam."

"Jack." Und dann, nach kurzem Zögern: "Küß mich."

***

"Ich kann es kaum fassen!", sagte Davis mit einem Grinsen.

"Was denn?" Forster konnte den kindlichen Enthusiasmus seines Kollegen nicht teilen. Er war immer noch sauer, daß man ihn vom Magellan-Projekt abgezogen hatte. Das halbe Jupiter-System war noch unerforscht, ganz zu schweigen von Saturn, Uranus und Neptun. Wie gerne hätte er die Ringe des Saturn aus nächster Nähe bestaunt. Aber nein, stattdessen befand er sich hier in diesem lichtlosen Frachtgleiter auf dem Weg zur Mondstation Delta-4. Nun würden andere die Meilensteine in der Erforschung des Sonnensystems leisten. Immerhin durften die anderen Mitglieder seines Teams bei Magellan bleiben, nur er und Davis hatten den Schwarzen Peter gezogen.

"Die ISS!", beantwortete Davis seine Frage. Sie hatten die Magellan in der internationalen Weltraumstation angedockt und waren nach einem kurzen Aufenthalt sofort zum Mond weitergeschickt worden. "Wir waren keine zwei Monate im All, und die Station ist fast auf die doppelte Größe angewachsen. Phantastisch!"

Forster nickte nur unwillig. Wie konnte dieser Mann beim Anblick kosmischer Wunder so ruhig bleiben und sich gleichzeitig so sehr über die technischen Errungenschaften der Erde begeistern? Für Forster war das nur Firlefanz, wenn man es mit der Schönheit und Bedeutung des Kosmos verglich. Ein Mittel zum Zweck, um dem Kosmos seine Geheimnisse zu entreißen. Nicht mehr und nicht weniger.

Davis schien sein Desinteresse gar nicht zu bemerken. Oder - sehr viel wahrscheinlicher - es interessierte ihn überhaupt nicht. Munter plapperte er weiter über neue Versorgungsmodule und Andockstutzen. Wieder einmal wunderte sich Forster über die völlige Abwesenheit des Tok'ra Porteus. Seit der Verschmelzung hatte er das Wesen an Davis' Gehirnstamm genau dreimal in Erscheinung treten gesehen, ansonsten hielt es sich bemerkenswert zurück, wenn man bedachte, welchen Spaß sich seine bösen Vettern daraus machten, ihre Wirte zu unterdrücken und zu quälen. Anscheinend nahm Porteus seine Aufgabe als Austauschoffizier, zu beobachten und zu lauschen und die Menschen nicht allzusehr durch seine Anwesenheit zu verstören, sehr ernst. Wie er wohl mit Davis' Geplapper klarkam?

Forster entschied, einen Vorstoß zu unternehmen und redete mitten in Davis' Monolog hinein: "Was uns wohl auf dem Mond erwartet?"

"Eine Menge neuer Kram." War klar, daß Davis sofort wieder auf Technologie zu sprechen kommen würde. Aber so ganz unrecht hatte er da nicht, denn die Mondstation in der Nähe des Mare Australe war für die Öffentlichkeit gesperrt. Nur Personen mit der Sicherheitsstufe Alpha Eins - also all jene, die auch in das Stargate-Projekt eingeweiht waren - war der Zutritt zur Rückseite des Mondes gestattet. "Ich habe gehört, das erste interstellare Shuttle steht kurz vor der Fertigstellung", ließ Davis die Bombe platzen.

"Wirklich?", sofort war Forster Feuer und Flamme. Ein interstellares Raumfahrzeug! Das würde ihnen das Betreten völlig neuer Forschungsfelder ermöglichen! "Bist du sicher?"

"Ziemlich sicher." Davis stupste sich an seine Nase. "Ich habe da meine Quellen." Auch das war nicht gelogen. Davis kannte so ziemlich jeden NASA-Techniker beim Vornamen - bis hin zum kleinsten Hausmeister ihrer Detroiter Dienststelle.

"Das wäre was!", schwärmte Forster. Vielleicht hatten sie ja doch nicht den Schwarzen Peter gezogen.

"In der Tat", stimmte Davis begeistert zu. Vermutlich sah er sich schon auf dem Pilotensitz des interstellaren Fliegers. Mehr als Lichtgeschwindigkeit. Ein echter Feuerstuhl.

"Alpha Centauri", sagte Forster einfach. Den Stern zu besuchen, der dem Sonnensystem am nächsten lag, war schon immer sein Traum gewesen.

"Hm. Ein Binärstern-System." Davis hatte seine astronomischen Hausaufgaben gemacht. "Unwahrscheinlich daß wir dort auf Planeten stoßen."

"Das ist schon richtig", gab Forster zu. "Aber trotzdem ist das System von Interesse. Über neuzig Prozent aller Sternensysteme sind Doppelsterne. Eins davon mal aus der Nähe zu sehen, dürfte unsere Erkenntnisse über den Aufbau des Universums maßgeblich beeinflussen."

"Auch wieder wahr", sagte Davis nachdenklich. "Auch wenn ich mich manchmal frage, warum wir eigentlich noch Astronomie betreiben, wo wir doch auf die Technologie eines Volkes zurückgreifen können, daß uns um Jahrtausende voraus ist."

"Die Antwort auf diese Frage kennst du."

"Klar kenn ich die", grummelte Davis. "Weil wir zwar die Technologie haben aber nicht das Wissen. Nur wenn wir das Universum verstehen, können wir darauf hoffen, irgendwann wieder einen eigenen Einfluß auf die Forschung nehmen zu können."

Die bleiche Scheibe des Mondes wuchs nun immer rascher an und schließlich setzte der Gleiter zur Landung an.

***

"Guten Morgen, Ladies und Gentlemen", begrüßte Samantha Carter die versammelten Offiziere und Wissenschaftler. Weitere Einleitungen waren nicht nötig. Alle die sich in diesem Besprechungszimmer versammelt hatten, kannten sich bereits aus zahlreichen Begegnungen. Einige dieser Begegnungen waren dramatisch genug, um sie zu einer verschworenen Gemeinschaft zusammenzuschweißen. Neben Sam, Forster und Davis waren dies die Exo-Biologin Ellie Arroway, die Airforce-Offiziere und Shuttlepiloten Hoffmann und Perkins (letzterer trug wie Davis einen Tok'ra in sich), der Regesier Moorph sowie Dr. Karl von Braun, der Chefingenieur der Werftanlage von Delta-4.

"Die meisten von Ihnen werden sich fragen, warum ich sie hierher gerufen habe, ohne den Grund dafür zu nennen, zumal Sie ohnehin die höchste Sicherheitsstufe genießen."

"Ganz genau", warf Davis in den Raum und alle schmunzelten. Er war berühmt dafür, unnötige Hinweise mit unnötigen Kommentaren zu belegen.

Auch Colonel Carter bedachte ihn mit einem Lächeln. "In Ordnung, ich will Sie nicht länger auf die Folter spannen. Die Erde verfügt ab nun über eine interstellare Raumfahrt." Wie erwartet hielten alle Anwesenden den Atem an und Sam fuhr fort. "Bevor Sie Dr. von Braun über die Details informieren wird, möchte ich noch einmal darauf hinweisen, daß diese Information unter gar keinen Umständen diese Mondbasis verlassen darf. Die Regierungen der Erde werden offiziell noch mindestens fünf Jahre lang die Existenz dieser Technologie leugnen. Und ich bin geneigt, ihnen zuzustimmen. Es ist besser, die Menschen Schritt für Schritt mit der Wahrheit zu konfrontieren."

Danach nahm Sam Platz und übergab das Wort an von Braun. Der erhob sich und schritt zur Sichtblende hinter dem Rednerpult und betätigte den Öffnungsmechanismus. Die Wand fuhr hoch und legte den Blick auf die Werftanlagen von Delta-4 frei. Wie der größte Teil der Station war auch die Werft ins Mondgestein hineingegraben worden und durch zwei massive Hangartore von der atmosphärelosen Oberfläche getrennt. Überall sah man geschäftige Bauarbeiter und Ingenieure herumlaufen, die sich um die gewaltigen Aufbauten der Werft tummelten. Aus dem Zentrum der Anlage ragte ein Raumschiff hervor. Es war groß, noch weitaus größer als die Shuttle der Magellan-Klasse, und die seitlichen Ausleger erinnerten stark an den Goa'uld-Ursprung. Die Stromlinienform deutete eine gute Atmosphäre-Flugtauglichkeit an - im Gegensatz zu den Goa'uld waren die Tau're nicht auf ein protziges Erscheinungsbild aus und legten dafür einen größeren Wert auf praktische Aspekte. Dennoch - oder gerade deswegen - erschien das Design den im Raum anwesenden Menschen als wunderschön, denn es verkörperte den Baustil der Menschheit. Es war das erste von Menschenhand gebaute Raumschiff, das zum überlichtschnellen Flug geeignet war.

"Ladies und Gentlemen, hier sehen sie die Gagarin, ein interstellares Raumschiff der Nova-Klasse.

"Was haben Sie mit dem Prototypen gemacht?", fragte Hoffmann scherzhaft. Er spielte damit auf die Tradition an, das erste Schiff einer Baureihe nach der Klassenbezeichnung zu benennen.

Doch Dr. von Braun nickte nur: "Sie haben recht, Major. Es gibt einen Prototypen. Die Nova. Sie befindet sich bereits seit einem Monat auf dem Flug in ihr Aufgabengebiet, gesteuert vom Autopiloten."

"Wie bitte?" Forster dachte, er hätte sich verhört.

"Colonel Carter wird Sie über den Grund für diesen Schritt aufklären. Lassen sie mich erst ein paar Takte zu den technischen Daten der Nova und Gagarin verlieren. Die beiden Schiffe sind absolut identisch. Sie verfügen über eine Länge von 85 Metern, einer Höhe von 28 Metern und eine Breite von 21 Metern, die Spannweite der Ausleger ist 76 Meter. Ihr Antrieb erlaubt ihnen eine absorbierte Beschleunigung von 78.000 Metern pro Sekunde pro Sekunde. Hülle und Magnetschutzfeld erlauben eine empfohlene Maximalgeschwindigkeit von 200.000 Kilometern pro Sekunde im All, in Standard-Atmosphäre bis zu 20.000 Kilometer pro Stunde. Die maximale Reichweite des Antriebs beträgt 4.000 astronomische Einheiten. Der Überlicht-Antrieb erlaubt eine Geschwindigkeit von bis zu 150.000facher Lichtgeschwindigkeit. Damit überbrückt man ungefähr 17 Lichtjahre pro Stunde. Die Reichweite des Überlichtantriebs beträgt 100.000 Lichtjahre, bevor wir eine Generalüberholung der Reaktoren empfehlen. Der Mannschaftsbereich verfügt über künstliche Schwerkraft und ein regeneratives Luft- und Nahrungsmittelsystem."

"Waffen?", fragte Davis. Die Bedrohung durch die Goa'uld hatten sie zwar eingedämmt, aber wer mochte wissen, was sie dort draußen noch so alles erwartete.

"Nur ein Zwillings-Bartar an der Rumpfunterseite und zwei linearbeschleunigte Mark XII-Sprengköpfe. Es handelt sich um Forschungs- und Erkundungsraumschiffe. Wir basteln momentan an einem Kampfschiff, daß unser gesamtes waffentechnisches Know-How berücksichtigt."

"Sensoren?", fragte Forster. Wenn es sich um Forschungsraumschiffe handelte, würden sie auf die entsprechenden Sensoren nicht verzichten können.

"Die besten die wir haben", lächelte von Braun. "Dazu fünf begrenzt überlichtfähige Langstrecken-Sonden, zwölf interplanetare Erkundungssonden und ein Zwei-Personen-Shuttle. Genauere Details können Ihnen später unsere Ingenieure verraten. Ich gebe erst einmal an Colonel Carter zurück, die Ihnen Ihre Mission erklären wird."

"Danke, Karl." Samantha Carter erhob sich und warf einen Blick in die Runde, bevor sie fortfuhr. "Der Grund für den frühzeitigen Abflug der Nova liegt nun schon fünf Jahre zurück ..."

***

Der silbrige Metallzylinder der Nova raste durch das gefleckte Nichts des Hyperraums. Zu gern hätte sich Forster an diesem Anblick ergötzt, doch die an allen Stellen mindestens fünfzig Zentimeter durchmessende Bleischicht, die das Schiff umgab, hinderte ihn daran. Er hatte von den Energiefeldern gehört, welche die Sichtfenster an Bord der Goa'uld-Schiffe schützten, doch war das ein Luxus, dem sich die Ingenieure der Nova-Klasse nicht hingegeben hatten. Er hatte die Hyperraum-Theorie zwar in ihren Ansätzen begriffen, aber dennoch erfüllte ihn die Vorstellung, mit zigfacher Lichtgeschwindigkeit durchs All zu reisen, mit Ehrfurcht.

Die ersten beiden Monate nach dem Treffen in der Mondstation hatten sie auf der Gagarin verbracht, um sich mit der Technologie an Bord vertraut zu machen und die unmittelbare Nachbarschaft des Sonnensystems zu erkunden. Die herausragendsten Entdeckungen dieser Zeit waren auf Alpha Centauri und Wega geschehen. Während sie mit Staunen herausgefunden hatten, daß die Doppelsterne von Alpha Centauri tatsächlich von einem Planeten umkreist wurden (ein Gasriese von ungefähr Neptun-Größe, der sich in einer mittleren Entfernung von 50 astronomischen Einheiten und einem extrem exzentrischen Orbit um seine beiden Sonnen drehte), hatten sie auf dem fünften Planeten der Wega tatsächlich Leben entdeckt - zusammen mit den zehn Millionen Jahre alten Überresten einer nuklearen Katastrophe, die der damals existierenden Zivilisation den Tod gebracht hatte. Die anderen hundert Sonnensysteme in der direkten Nachbarschaft der heimischen Sonne hatten keine besonderen Entdeckungen geliefert und den Wissenschaftlern den Eindruck eines Universums vermittelt, daß tatsächlich zum größten Teil leer war.

Nach diesen für Forster sehr interessanten Monaten war er zusammen mit Davis, Arroway und Carter via Stargate nach P1Z003 gereist, ein vom SGC auf einem unscheinbaren, prähistorischem Planeten angelegter Stützpunkt in 312 Lichtjahren Entfernung vom vernichteten Sonnensystem Vorash. Es war Forsters erste Reise mit einem Stargate gewesen, und das Ereignis - so unangenehm es auch war - hatte ihn nach all den Erlebnissen der letzten Monate und Jahre kaum noch vom Hocker reißen können. Der Mensch schien tatsächlich ein Gewohnheitstier zu sein, eine Erkenntnis, die Forster sowohl traurig als auch optimistisch stimmte.

Die Nova hatte den Weg, den sie in wenigen Sekunden mit dem Stargate überbrückt hatten, auf "konventionellem" Weg zurückgelegt und wartete bereits auf sie. Ein Check ihrer Systeme hatte ein sehr zufriedenstellendes Ergebnis geliefert. Bis auf einige Verschleißteile mußte nichts ausgebessert oder gar repariert werden. Von Braun und sein Team hatten solide Arbeit geleistet.

Nun befanden sie sich an Bord der Nova und hielten auf die direkte Umgebung der Nova-Explosion zu. Als die ersten einhundert Sonnensysteme auf ihrer Route hatte Carter die Systeme in umittelbarer Nähe der Nova-Stoßwelle gewählt. Und genau darum drehte es sich nun in ihrer Diskussion.

"Es ist dumm! Und unnötig!", ereiferte sich Davis. Der Hühne ging keinem Wortgefecht aus dem Weg, und wenn er sich erst einmal an einem Argument festgebissen hatte, ließ er sich nicht mehr davon abbringen. "Die Asgard haben eindeutig festgelegt, ab welcher Strahlenbelastung ihre Schutzschilde in der Lage sind, gefährdete Planeten zu schützen. Damit sind alle Systeme in zwanzig Lichtjahren Umkreis um die Supernova nicht mehr zu retten."

Sam erwiderte nichts und wandte sich wieder den Kontrollen zu, doch so leicht ließ sich Davis nicht aus dem Konzept bringen: "Also warum halten wir nun auf die Koordinaten 182N35-1100 zu? Können Sie mir das verraten?"

"Wir werden auch die fünfhundert Sonnensysteme in der Todeszone untersuchen."

"Aber warum? Diese System sind auf jeden Fall dem Untergang geweiht. Teufel auch, acht von diesen Systemen befinden sich bereits innerhalb der Supernova-Stoßwelle. Was immer dort war, es existiert nun nicht mehr."

"Wir haben die Pflicht, alle gefährdeten Systeme zu analysieren. Und wir werden natürlich mit den Systemen anfangen, die sich in unmittelbarer Gefahr befinden."

"Aber wir können sie nicht retten."

"Das sagten Sie bereits."

"Was für einen Sinn macht es dann?"

"Colonel Davis", Carters Stimme hatte einen eiskalten Ton angenommen. "Ich leite diese Mission, und ich sage: Wir werden diese Systeme untersuchen. Wollen Sie sich einem direkten Befehl widersetzen?"

Hilfesuchend sah sich der NASA-Pilot zu den anderen Expeditionsteilnehmern um. Forster sah verlegen zur Seite, während Arroway ihn feindselig musterte. Von den beiden hatte er keine Hilfe zu erwarten.

"Na schön, warum nicht? Was sind schon fünfhundert Sonnensysteme? Ein paar Monate zum Fenster hinausgeworfen. Aber verraten Sie mir bitte eins, Colonel: Was machen wir, wenn wir in einem dieser Systeme auf eine blühende Zivilisation stoßen?"

Carter sah ihn zornig an. "Ich habe keine Ahnung!" brachte sie hervor, danach wandte sie sich ab und verließ die Brücke. Forster warf Davis einen bösen Blick zu: "Toll! Wirklich ganz toll!" Danach eilte er Carter hinterher.

Er fand sie in der Wissenschaftszentrale, tief über einen Versuchstisch gebeugt, den Kopf in den Armen versenkt. Das leichte Beben ihrer Schulter ließ darauf schließen, daß sie weinte. So hatte Forster sie noch nie erlebt. Vorsichtig trat er an sie heran und legte seine Hand auf ihre Schulter.

"Geh' weg, Ben! Laß mich in Ruhe!"

"Ich glaube das werde ich nicht tun." Er setzte sich neben sie an den Tisch.

Eine Weile blieben sie so sitzen, bis sie sich schließlich beruhigt hatte und ihn mit rot umränderten Augen anblickte: "Mein erstes Kommando, und ich benehme mich wie ein kleines Mädchen." Sie lächelte schmerzlich.

"Das ist doch garnicht wahr! Davis ist einfach ein verdammter Mistkerl, der auf den Gefühlen anderer Leute herumtrampelt, als ginge es ihn alles nichts an. Arrogant und rechthaberisch."

"Und was meinst du? Hat er diesmal recht?"

Verlegen sah Forster sie an. Da er selber ein Astronom war, konnte er ihre Beweggründe gut verstehen. Als Astronom war man es gewohnt, die Dinge zu beobachten ohne sie zu beeinflussen. Sie dagegen hatte in den Lauf der Dinge eingegriffen. Sehr massiv sogar.

"Das Universum ist voller Sterne, Sam. Mehr als hundert Milliarden allein in unserer Galaxis. Sie werden geboren und sie sterben, und wir können nur einen Bruchteil davon kartographieren, selbst wenn wir unserer ganzes Leben damit verbringen."

"Also kommt es auf fünfhundert mehr oder weniger nicht an. Willst du das damit sagen?"

"Sam ..."

"Ich fühle mich verantwortlich, Ben. Persönlich verantwortlich. Warum könnt ihr das nicht verstehen?"

"Ich verstehe es ja."

"Dann hilf mir, diese Sterne zu kartographieren. Als ein Mahnmal. Ein Mahnmal dafür, daß wir als Wissenschaftler niemals zu weit gehen dürfen."

Er nahm ihre Hände in seine und lächelte sie aufmunternd an: "In Ordnung, ich werde dir helfen. Wir alle werden dir helfen, auch dieser dickköpfige NASA-Pilot und sein Wurm."

***

"Trabant Eins: negativ. Trabant Zwei: negativ. Trabant Drei: negativ. Trabant Vier: vielversprechend aber auch negativ. Trabant Fünf: negativ. Trabant Sechs: negativ. Das System ist tot."

Erleichtert lehnte sich Arroway zurück. Sie hatte sich in den vergangenen drei Wochen daran gewohnt, tote Systeme als etwas gutes zu betrachten. Es war erstaunlich, wie viele dieser Systeme Planeten erhielten, ohne jedoch die Bedingungen aufzuweisen, die für die Entstehung von Leben nötig waren. Zu junge Sterne, zu alte Sterne, zu instabile Sterne. Und nur allzuoft waren die Riesenplaneten in der Frühgeschichte der Systeme in einen engen Orbit um die Sonne gewandert und hatten dabei die terrestrischen Planeten einfach aus ihrer Umlaufbahn geschossen.

Jedesmal wenn sie ein System aufsuchten, das der heimischen Sonne glich - Zentralgestirn der G-Klasse, eine ordentliche Anordnung von terrestrischen und Riesenplaneten - hielt sie den Atem an, denn hier war die Chance - die Gefahr! - am größten, auf Leben zu stoßen. Fünf solcher Planeten und zwei Monde hatten sie bereits gefunden. Die meisten Lebensformen waren nicht mehr als Bakterien und Einzeller, aber in zwei Fällen waren sie auch auf höhere Lebewesen - Pflanzen und Meerestiere - gestoßen. Samantha Carter hatte es relativ gefaßt aufgenommen, schließlich hatten sie mit diesen Ergebnissen rechnen müssen. Der Weltraum war zwar unvorstellbar leer, aber doch wies er hier und da einen feinen Sprenkel Leben auf. Alles andere wäre Arroway auch wie eine extreme Platzverschwendung vorgekommen.

Sie hatte einige Proben genommen, um sie in ihrer freien Zeit zu untersuchen. Im Gegensatz zur Flora und Fauna der meisten Stargate-Welten hatte sie es hier mit wirklich außerirdischem Leben zu tun, daß sich nicht mit denen anderer Ökosysteme vermischt hatte. Mit Grauen erinnerte sie sich an ihre erste Exkursion einer Stargate-Welt zurück, bei der sich herausgestellt hatte, daß die Lebensformen zu 95 Prozent auf den irdischen beruhten. Sie kam sich wie eine McDonalds-Touristin vor. Wozu reiste mal Tausende von Lichtjahren weit, um dann nichts anderes als die vertraute Heimat vorzufinden? Glücklicherweise hatten sich einige später entdeckte Welten als weitaus fremdartiger herausgestellt und ihr und ihren Kollegen ein großes Aufgabenfeld verschafft. Dennoch war es nicht mit dem zu vergleichen, was sie nun tat. Die Anwesenheit eines Stargates deutete nur zu deutlich darauf hin, daß vor ihnen schon jemand dort gewesen war, und ruinierte damit von vornherein jedes Pioniergefühl. Hier dagegen waren sie mit aller Wahrscheinlichkeit die ersten - und im traurigen Fall von Projekt Nova wahrscheinlich auch letzten - Zeugen des kosmischen Wunders, welches das Leben darstellte. Einem Außenstehenden mochte es oft als langweilig erscheinen, in Wirklichkeit war es jedoch das Aufregendste, was man sich vorstellen konnte. Die Menschen waren nun mal eine Raumfahrer-Rasse und keine Stargate-Rucksacktouristen.

Einer plötzlichen Eingebung folgend wandte sie sich um und sah Carter in der Tür zu ihrem Labor stehen. Sie hatte keine Ahnung, wie lange die Expeditionsleiterin dort schon gestanden hatte. In der Hand hielt sie einen Computerausdruck, und als Arroway ihr Gesicht sah, wußte sie sofort, was geschen war. "Ozon. Sonde Drei hat einen Planeten mit Ozon entdeckt. Der Quantität nach erdähnlich."

***

Forster hatte die ganze Zeit über dagegen geredet, so gut es ihm möglich war. Ozon konnte alles mögliche bedeuten. Das Element schien zwar außerhalb belebter Planeten nicht vorzukommen, aber wie viele Messungen hatten sie bisher schon vorgenommen, um das wirklich mit Sicherheit sagen zu können? Bei weitem zu wenige!

Als sich dann die schweren Schutzluken von den Sichtfenstern der Nova hoben und den Blick auf eine blauweiße Kugel freigaben, spürte er, wie etwas in ihm zerbrach. Was da vor ihm im Weltraum hing, glich der Erde so sehr, daß es ihm körperliche Schmerzen bereitete, es zu betrachten. Dennoch konnte er seinen Blick nicht abwenden. Blau wie das Meer und Weiß wie die Wolken am Himmel. Hier und da ein graubrauner Strich, der dem geübten Auge das Vorhandensein eines Kontinents verriet. Im Hintergrund ein Mond, nicht so groß wie der Erdtrabant, aber doch groß genug, um auf eine ähnliche Entstehung wie der des Erde-Mond-Systems zu tippen. Der Entstehung von Leben sehr förderlich, dachte er bitter. Warum nur mußte diese Welt weniger als 10 Lichtjahre von der Supernova-Explosion entfernt liegen? Bei der Vorstellung, daß eine ähnliche Katastrophe auch die Erde heimsuchen konnte, wurde ihm ganz anders.

Niemand wagte es, die anderen anzusehen. Statt dessen begannen sie jeder für sich, die Messungen vorzunehmen, die von ihrer Station aus möglich waren.

"Ozon-Messung bestätigt," sagte Arroway. "Stickstoffanteil der Atmosphäre 78 Prozent. Sauerstoff 21 Prozent. In jeder Hinsicht erdähnlich. Die Luftverschmutzung deutet auf eine starke Industrialisierung hin."

"Durchmesser 13.534 Kilometer, Achsneigung 6 Grad, ein Tag dauert 18 Stunden. Etwa 105 Prozent Erdschwerkraft", fügte Forster hinzu.

"Das Radar hat bis jetzt über eintausendzweihundert künstliche Satelliten im niedrigen Orbit um den Planeten entdeckt, die Zahl ist steigend", sagte Davis. "Ich halte das Schiff in einer Position jenseits der Mondumlaufbahn, sonst ist die Gefahr zu groß, daß sie uns bemerken."

"Tun Sie das", bestätigte Carter. "Ich messe hier reichhaltige Funk- und Radiowellen. Da unten ist eine Menge los. Mal sehen, ob der Computer damit was anfangen kann."

Alles versammelte sich um die Station des Colonels. Die Aufregung ihrer Entdeckung ließ sie für den Moment vergessen, daß sie es mit einer zum Untergang verdammten Welt zu tun hatten, und jeder wollte sehen, wie die Lebewesen aussahen, die diesen Planeten bewohnten. Sam spielte an den Einstellungen herum, bis sie aus dem Wellensalat ein einziges Signal herausgefiltert hatte und startete das Analyseprogramm. Als erstes erhielten sie Audio - ein völlig unverständliches Gebrabbel, daß mit keiner Sprache der Erde auch nur die geringste Ähnlichkeit aufwies. So erschien es Sam zumindestens. "Was wir hier brauchen, ist ein Linguist", murmelte sie. Jemand wie Daniel hätte dieser seltsamen Sprache vielleicht einige Geheimnisse entlocken können.

"Wir haben einen Linguisten dabei", sagte Davis, und alle blickten ihn fragend an. Er deutete lächelnd auf seinen Nacken: "Mein Tok'ra Porteus ist Linguist und Soziologe. Soll ich ... ?"

Sam nickte und Davis senke den Kopf. Als er ihn wieder hob, war in seine Augen ein eigentümlicher Glanz getreten und er sprach mit einer tiefen Stimme, die in Sam selbst nach all diesen Jahren noch ein Schaudern auslöste: "Ich bin Proteus, Tok'ra und loyaler Verbündeter der Tau're. Ich möchte mein Bedauern über diese Situation aussprechen und Ihnen allen zu der hervorragenden Arbeit gratulieren, die sie bis jetzt geleistet haben. Mein bisheriges Schweigen ist nicht das Resultat von Desinteresse, sondern basiert auf einer stillen Übereinkunft mit meinem Wirt. Wir wissen, daß den meisten Menschen die Anwesenheit eines Symbionten unangenehm ist."

"Ich grüße dich, Porteus", antwortete Sam mit einem Nicken. "Davis sagte uns, du könntest uns möglicherweise helfen."

"Das ist richtig. Doch zunächst einmal muß ich fragen, welche Art von Arbeit wir uns mit diesem Planeten und seiner Bevölkerung machen sollen. Die Asgard sehen keine Möglichkeit, sie ausreichend zu beschützen."

Er hatte damit genau das ausgesprochen, was ihnen allen schon eine geraume Weile durch den Kopf ging. War es nicht töricht, noch länger hier zu verweilen? Würde es ihnen dadurch nicht noch viel schwerer, dem Unvermeidlichen in die Augen zu sehen?

Die Art und Weise, auf die Samantha Carter auf diese Frage reagierte, bewies Forster mal wieder, warum er sie so sehr bewunderte und warum er ihr bedenkenlos an jeden Ort der Galaxis folgen würde. Sie warf Davis/Porteus einen durchdringenden Blick zu und sprach ganz leise: "Wir haben da unten einen Planeten, auf dem wahrscheinlich mehrere Milliarden intelligente Lebewesen leben, ganz zu schweigen von Pflanzen und Tieren. Das einzige, was zwischen diesen Wesen und der völligen Vernichtung steht, sind wir. Deshalb werden wir ALLES in unserer Macht Stehende unternehmen, um den Untergang dieser Welt zu verhindern. Wenn wir im Moment noch keine Möglichkeit sehen, wie wir das bewerkstelligen können, heißt das nicht, daß es diese Möglichkeit nicht gibt. Wir sehen sie nur noch nicht. Denn wir WERDEN diese Welt retten."

Sie legte eine Pause ein, als sich das Flackern auf dem Bildschirm zu einer Wellenform und schließlich zu einem bewegten Bild stabilisierte. Es zeigte ein breitschultriges humanoides Lebewesen, daß vor einer Abbildung eines Abschnitts der Planetenoberfläche stand - anscheinend eine Art Wetterbericht, vermutete Forster. Das Lebewesen besaß zwei Arme und zwei Beine und war mit fremdartig aussehender Kleidung bedeckt. Der Kopf war flach wie der eines Frosches und besaß zwei Augenpaare und eine Menge Hautfalten, die allen möglichen Zwecken dienen mochten. Das Wesen war haarlos und besaß eine braungraue Hautfarbe, die mit dunkelbraunen Flecken übersäht war. Trotz seines äußerst fremdartigen, auf den ersten Blick sogar abstoßenden Äußeren erweckte dieses Wesen ein ungeheuer starkes Gefühl der Vertrautheit in den Menschen, das einzig und allein auf der Tatsache beruhte, daß es ein intelligentes Lebewesen war. Intelligenz. Das war nicht nur ein Wort. Es war ein Synonym für die höchstentwickelte Form der Existenz, eine Stufe der Evolution, die sich erst nach Milliarden Jahren herausbildete und ein Potential aufwies, daß größer war als das mächtigste kosmische Phänomen. Obwohl sie keine Ahnung hatten, was das Wesen gerade dachte oder sagte, war allein die Tatsache, DASS es denken und sprechen konnte, eine überwältigende Erfahrung. Später an diesem Tage sollte Forster noch in seinem persönlichen Tagebuch verzeichnen: ‚Das sechsundzwanzigste Sonnensystem, daß die Nova untersuchte, weist unabhängiges intelligentes Leben auf. Das Weltall ist nicht leer. Es ist bis zum Bersten gefüllt - mit uns und unseresgleichen.'

Sam machte einen lebendigeren Eindruck als die ganzen Monate zuvor. Es schien fast, als sei sie nach einer langen Schlafphase endlich aufgewacht. "Bevor wir überlegen, wie wir diesen Planeten retten, müssen wir erst einmal so viel wie möglich über ihn in Erfahrung bringen. An die Arbeit!"

***

"Was ist das denn?", fragte Forster neugierig. Auf dem Bildschirm war ein haariges Monstrum mit fünf Armen zu sehen, das sich gerade ein blutiges Gemetzel mit den Einheimischen lieferte, die sie liebevoll als Frogs bezeichnet hatten.

"Offensichtlich handelt es sich um einen Unterhaltungsfilm", antwortete Porteus. Der Tok'ra hatte nun schon seit vier Tagen die Kontrolle über Davis' Körper, um seine Aufgaben optimal erfüllen zu können. Es war ein seltsames Gefühl, mit Davis zu sprechen, ohne seinem aufbrausenden Temperament und Zynismus ausgeliefert zu sein. Seltsam - aber gar nicht so übel.

"Der Gesamtablauf schließt einen Dokumentarfilm weitestgehend aus", setzte Porteus seine Erklärung fort. "Außerdem lassen die Bewegungen dieses fünfarmigen Wesens auf den Einsatz eines graphischen Computers rückschließen."

"Science Fiction", sagte Forster fasziniert. "So also stellen sich die Frogs uns vor. Ich sollte mir ein paar zusätzliche Arme besorgen und meinen Bart länger wachsen lassen."

Porteus grinste. Irgendwo dort drin war immer noch Davis.

Sam trat in den Raum und sah ihnen eine Weile zu. "Irgendwelche Anzeichen, daß sie unsere Sonden entdeckt haben?", fragte sie. Die interplanetaren Sonden der Nova befanden sich in einer niedrigen Umlaufbahn um den Planeten, und sie hofften, daß die Frogs sie in der Fülle ihrer Satelliten nicht bemerken würden. Es war ein gefährliches Spiel, aber nur so war es ihnen möglich, genug Informationen über den Planeten zu sammeln.

"Keine", antwortete Porteus, "was zweierlei bedeuten kann. Entweder haben sie uns wirklich nicht bemerkt, was ich jedoch bezweifle, oder ..."

"... Oder sie haben uns bemerkt und verhalten sich erst einmal abwartend", vollende Sam den Satz.

Porteus nickte.

"Wie weit sind Sie mit der Sprachanalyse?"

Porteus zögerte mit der Antwort. "Nun ... wir haben es mit einer Planetenbevölkerung von mindestens einer Milliarde Wesen zu tun, die über den gesamten Planeten verteilt leben und viele verschiedene Kulturen entwickelt haben. Meinen Beobachtungen zufolge haben wir es mit mindestens fünf verschiedenen Kulturen zu tun, von denen sich jede sehr wahrscheinlich in fünf bis zehn Sub-Kulturen unterteilt. Das läßt auf mindestens fünfzig verschiedene Sprachen schließen, wahrscheinlich sind es aber sehr viel mehr. Und keine davon basiert in irgendeiner Weise auf den bekannten Sprachen des Universums."

"Wie lange wird es dauern, bis wir wenigstens eine Sprache verstehen können?"

Porteus zuckte resigniert mit den Achseln. "Das vermag ich nicht zu sagen. Aber selbst mit einer hundertköpfigen Expertengruppe und hervorragenden Computern wird es viele Jahre in Anspruch nehmen."

"Wir haben nicht viele Jahre. In acht Jahren, sieben Monaten und zwanzig Tagen wird dieser Planet mit einer so hohen Strahlungsdosis bombardiert, als würde man in seiner Atmosphäre eine Milliarde Atombomben zünden."

"Ich bin mir darüber im klaren, Colonel Carter."

"Irgendwelche Vorschläge?"

Porteus schwieg und auch Forster sah betreten zu Boden.

"Na schön", sagte Sam. "Dann haben wir wohl keine andere Wahl."

Sie deutete Porteus/Davis aufzustehen und setzte sich selbst ans Kommunikationspult. Nachdem sie die nötigen Einstellungen vorgenommen hatte, begann sie langsam und deutlich in das Mikrofon vor ihr zu sprechen: "Diese Nachricht richtet sich an alle Bewohner des vierten Planeten dieses Sonnensystems. Umfangreiches Tonmaterial wird folgen, um ihnen eine leichtere Analyse unserer Sprache zu ermöglichen. Wir sind nicht in feindlicher Absicht hier, sondern um eine Warnung auszusprechen. Eine gewaltige Katastrophe droht diesem Planeten und allen seinen Bewohnern. In ... vierzig Jahren wird die Stoßwelle einer Supernova durch dieses Sonnensystem ziehen und verheerende Strahlenschäden auslösen. Nähere Informationen hierzu werden wir Ihnen liefern, sobald eine Kommunikation etabliert wurde. Carter Ende."

Sie lehnte sich zurück und aktivierte die Wiederholungsschleife. Forster und Porteus musterten sie völlig verblüfft. "Was ist?", fragte sie. "Wir haben nicht das Expertenteam, um Hunderte von Sprachen zu analysieren. Aber die da unten haben die Expertenteams, um unsere EINE Sprache zu analysieren. Früher oder später müssen wir ohnehin mit ihnen in Kontakt treten."

Danach wandte sie sich an Porteus: "Schicken Sie so viele und so verständliche Sprachdaten wie möglich auf den Weg. Alles als Wiederholungsschleife, und nur diese eine Sprache, schließlich wollen wir sie nicht unnötig verwirren. Und du, Ben", sagte sie zu Forster, "wirst diesen Planeten so gut wie möglich im Auge behalten. Falls unsere Schützlinge auf die Idee kommen, uns aus dem Weltall zu pusten, will ich vorbereitet sein."

***

Sam saß vor ihren Computermonitoren und versuchte krampfhaft, wach zu bleiben. Eine zweite Person trat in die Zentrale und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Zuerst dachte sie, es wäre Ben, aber dann bemerkte sie, daß es Davis war. Er goß ihr eine frische Tasse Kaffee ein und widmete sich dann der Massage ihrer völlig verspannten Schulter.

"Alles okay?", fragte er mit seiner eigenen Stimme.

Sam antwortete nicht sofort, sondern genoß die Massage. Sie mußte an Jack denken. Was er wohl gerade tat? Ob er wohl auch so oft an sie dachte wie sie an ihn? Oh Gott, wie sehr wollte sie fort von diesem Ort. Fort von allem. Fort von der Verantwortung. Um einmal ihr eigenes Leben leben zu können. Sie stieß ein lautes Seufzen aus und erschrak kurz darüber, daß sie sich vor Davis so gehen ließ.

"Sie denken an die Erde?", fragte er.

"Ja."

"Ich auch. Manchmal."

"Was ist mit Porteus?"

"Porteus schläft. Und ich genieße meine ... freie Zeit."

"Ist es sehr unangenehm?"

"Sie meinen die Verschmelzung mit dem Symbionten? Ich dachte, Sie hätten diese Erfahrung bereits gemacht?"

Früher wäre Sam bei dieser Bemerkung zusammengezuckt, doch heute war die zeitweise Übernahme durch Jolinar und die durch sie hinzugekommenen Erinnerungen in weite Ferne gerückt. So viel war seitdem geschehen. Jede Erinnerung verblaßt einmal, auch die an Jolinar ... und Martouf.

"Es war nur eine kurze Verschmelzung", beantwortete sie Davis' Frage, "und keine freiwillige."

"Ich verstehe. Für mich war es nicht unangenehm. Ungewöhnlich ja, aber nicht unangenehm. Man erfährt sehr viel über sich selbst, wenn man sein ganzes Ich mit einem anderen Wesen teilt. Es hat meinen Horizont in vielerlei Hinsicht erweitert."

Er massierte sie noch eine Weile und setzte sich dann an die andere Seite des Tisches. Sie trank einen Schluck Kaffee und sah ihn nachdenklich an. "Wahrscheinlich glauben Sie immer noch, daß es eine dumme Entscheidung war", sagte sie schließlich.

Davis zuckte mit den Schultern: "Ich denke schon."

"Um so mehr Zeit wir über diesem Planeten verbringen, um so mehr bin ich gewillt, Ihnen zuzustimmen. Um so mehr frage ich mich, ob ich das hier wirklich will", sagte Sam, und die Resignation war ihr deutlich anzuhören. "Vielleicht sollten wir unsere Zelte abbrechen und heimfliegen, bevor wir uns noch weiter in diese Sache verstricken."

"Nein", antwortete Davis. Es war ein einfaches Wort, nüchtern ausgesprochen, aber keinen Widerspruch duldend.

"Wie bitte?" Sam sah ihn erstaunt an. "Aber ich dachte, Sie wären von Anfang an dagegen gewesen, die Todeszone um die Supernova zu untersuchen."

"Das war ich auch. Aber jetzt ist es zu spät. Wir haben die Büchse der Pandora geöffnet und können sie nicht so einfach wieder zuschließen. Wir würden keine einzige Nacht mehr ruhig schlafen können."

"Und wenn wir trotzdem scheitern?", fragte Sam.

"Dann haben wir immerhin alles getan, was in unserer Macht stand. Und außerdem werden wir nicht scheitern. Wenn ich eins über Sie gelernt habe, Colonel, dann daß Sie die Ihnen gesteckten Ziele immer erreichen. Immer."

Sam lächelte traurig: "Nein. Nicht immer. Sie kennen mich noch nicht gut genug."

Davis runzelte die Stirn, und Sam erzählte es ihm. Sie wußte nicht warum. Sie mußte einfach mit jemandem darüber reden. Nachdem sie geendet hatte, lächelte ihr Davis aufmunternt zu: "Wie haben Sie es noch einmal formuliert? Nur weil wir momentan keine Möglichkeit sehen, heißt das nicht, daß es keine Möglichkeit gibt." Er reichte ihr seine Hand. "Ich würde mich freuen, Sie zu meinen Freunden zu zählen."

Sie schlug lächelnd ein: "Ich glaube, das sind wir schon. Nenn' mich Sam."

"Marshal. Sobald wir wieder in der Zivilisation sind, müssen wird das Brüderschaft-Trinken mit einer Flasche Kenntucky Burbon nachholen."

"Das Du gilt auch für Porteus."

"Ist gut. Wenn er seinen Schönheitsschlaf hinter sich hat, werde ich ihm die freudige Neuigkeit verkünden."

***

"Diese Nördliche Liga sind echte Idioten", murmelte Forster ärgerlich und verwünschte den Moment, an dem er sich für diese Fraktion entschieden hatte. Nachdem Sam zum ersten Mal die Nachricht ausgesandt hatte, hatten die Myrmianer - so wollten sie genannt werden - nur eine Woche gebraucht, um ihre Sprache zu erlernen und Rückantwort zu geben. Aber nicht nur eine! Tagtäglich gingen neue Meldungen ein, jede von einer anderen Fraktion des Planeten gesandt, die jeweils für sich das Recht in Anspruch nahm, für alle Bewohner des Planeten zu sprechen. Die meisten dieser Fraktionen hatten sich schnell als unauthorisiert herausgestellt - einzelne politische Gruppen, private Organisationen, religiöse Sekten und Nachrichtenagenturen. Dennoch blieben auch nach gründlichem Aussieben immer noch dreißig ernstzunehmende Parteien übrig, von denen zehn zu einem größeren Staatenbund zu gehören schienen, während drei von den übrigen zwanzig einen großen globalen Machtfaktor darstellten. Insgesamt also vier globale Mächte und über ein Dutzend kleinere neutrale Staaten, die alle mit den ihnen gebührendem Respekt behandelt werden wollten. Um mit diesem riesigen Wust an Informationen fertig zu werden, hatte Sam jedem Mitglied der Nova-Crew eine globale Machtfraktion zur Analyse und näheren Kontaktaufnahme übergeben.

Es war fast lächerlich, wenn man bedachte, daß hier oben in einem winzig kleinen Raumschiff vier Menschen damit beschäftigt waren, mit einer ganzen Planetenbevölkerung in diplomatischen Kontakt zu treten. Zum Glück wußten die Myrmianer nichts von dieser Tatsache, und die Besatzung der Nova hatte auch nicht vor, es ihnen zu sagen. Vorerst ging es um nichts anderes, als die Machthaber dieses Planeten davon zu überzeugen, daß sie die gesamten Ressourcen ihrer Staaten darauf verwenden mußten, den Planeten vor dem drohenden Untergang zu bewahren. Ein Unterfangen, daß sich als viel schwieriger erwies als es auf den ersten Blick aussah.

Forster war kein Politologe und auch kein Diplomat. Er hatte den größten Teil seines Erwachsenenlebens auf Ölbohranlagen in kargen Wüsten oder auf hoher See verbracht, wo ein rauher Ton angesagt war. Und nun hatte er es mit dem Staatenbündnis der "Nördlichen Liga" zu tun (deren Staaten lustigerweise zum größten Teil auf der Südhalbkugel lagen). Diese Leute hatten ihm am meisten zugesagt, denn sie erinnerten ihn ein bißchen an die Nato. Demokratie, Freiheit, Gleichberechtigung aller Partner. In Wirklichkeit war er natürlich auf ein Wespennest konkurierender Interessensgruppen gestoßen.

Innerhalb der Nördlichen Liga existierte so etwas ähnliches wie freie Marktwirtschaft, allerdings in der härtesten vorstellbaren Form. Die Staaten selbst waren nur noch dafür zuständig, die Interessen der Liga in der restlichen Welt durchzusetzen, was durchaus militärische Aktionen zur Sicherung wertvoller Ressourcen einzuschließen schien. Die wahre Macht lag in den Händen von gewaltigen Megakonzernen, deren Einflußbereiche weit über die Liga hinausragten. Diese Konzerne vertraten zwar eine demokratische Grundordnung, forderten allerdings von ihren Angestellten uneingeschränkte Loyalität und unbedingten Gehorsam. Die Konzernzugehörigkeit war anscheinend wichtiger als die Staatszugehörigkeit. Man wurde im Konzernkrankenhaus geboren, erhielt seine Ausbildung in den Schulen des Konzerns und arbeitete sein ganzes Leben lang für den Konzern, bis man schließlich das Zeitliche segnete und in einer heiligen Zeremonie des Konzern-Krematoriums verbrannt wurde. Zwischendurch kaufte man in den konzerneigenen Kaufhäusern ein und verbrachte seinen Urlaub in den konzerneigenen Ferienparadiesen. Alles war perfekt durchorganisiert. Forster fand es zum Kotzen.

Dazu kam, daß die Konzerne alles nach wirtschaftlichen Maßstäben betrachteten. Und eine dubiose Rettungsaktion vor einer nicht erkennbaren Katastrophe war wirtschaftlich gesehen natürlich nicht zu vertreten. Die Konzernwissenschaftler pochten darauf, daß keiner der Sterne in unmittelbarer Umgebung um den Planeten Anzeichen aufwies, sich in den kommenden Millionen von Jahren in eine Supernova zu verwandeln, und ließen sich auch nicht von der Tatsache beeindrucken, daß sie es hier mit "Außerirdischen" zu tun hatten, die mit einem überlichtschnellen Antrieb zu ihnen gereist waren. Sie forderten einen Beweis. Einen hieb- und stichfesten Beweis.

Frustriert schlurfte er in Sams Labor, wo er sie über einigen Computeranzeigen brüten sah. Sie sah kurz auf und bemerkte seinen griesgrämigen Blick: "Hey, Ben. Immer noch Schwierigkeiten mit der Nördlichen Liga?"

"Das kann man wohl sagen. Diese Leute bringen mich noch um den Verstand. Und ihre Wissenschaftler glauben, sie haben die Weisheit mit Löffeln gefressen. Was machst du da?" Er wies auf die Computermonitore vor ihr.

"Ich überprüfe gerade die neuesten Meßdaten der Langstrecken-Sonden. So wie es aussieht, ist die restliche Todeszone um die Supernova frei von bewohnten Planeten."

"Das ist genau das, was ich hören wollte", sagte Forster erleichtert.

Sam nickte. "Allerdings. Noch einen Planeten wie diesen und wir wären in arge Personalschwierigkeiten geraten."

"Es ist so schon schwierig genug", seufzte Forster. "Wir brauchen dringend mehr Leute. Fachkundige Leute."

"Ich weiß", antwortete Sam, "und habe auch schon eine entsprechende Nachricht abgeschickt. Von der Erde können wir allerdings erst einmal keine Unterstützung erwarten. Ich hoffe die Tok'ra haben ein Schiff in der Nähe. Bis dahin müssen wir uns selbst behelfen."

"Ich bin kein Diplomat, Sam."

"Ich weiß. Du wirst dir Mühe geben müssen."

"Sie fordern einen Beweis. Ich brauche eine von den Langstrecken-Sonden."

Sam runzelte die Stirn. "Wir haben bereits eine verloren, weil wir sie zu nahe an die Nova-Stoßwelle herangelenkt haben. Und zwar ohne irgendwelche nennenswerten Meßdaten zu liefern. Ich vermute, daß vor der Welle eine Hyperraumverzerrung herläuft, ähnlich der, die das von uns erbeutete Goa'uld-Mutterschiff damals über Milliarden von Lichtjahren davongeschleudert hat. Wir können uns ihr also ebensowenig im Hyperraum nähern, wie wir ihr nach erfolgreicher Messung im Hyperraum entkommen können."

"Und was ist mit dem normalen Antrieb?"

"Das wäre theoretisch möglich. Allerdings bewegt sich die Welle immer noch mit mehr als zwei Dritteln der Lichtgeschwindigkeit, es sind also sehr genaue Berechnungen nötig, um ihr zu entgehen. Leider wissen wir ihre exakte Geschwindigkeit nicht, können also keinen genauen Kurs programmieren. Und eine Fernsteuerung über diese Entfernungen und bei diesen Geschwindigkeiten ist ebenfalls nicht realisierbar. Was wir bräuchten, wäre ein Autopilot, der klug genug ist, um die Berechnungen vor Ort selbst durchzuführen. Aber so einen haben wir nicht."

"Dann gibt es nur eine Möglichkeit", sagte Davis vom Türrahmen aus.

Forster wußte sofort, was er meinte: "Oh nein, nichts da!"

"Einer von uns muß höchstpersönlich dorthin fliegen. Wir benutzen das Shuttle! Und als bester Pilot auf diesem Schiff bin ich natürlich für diese Aufgabe prädistiniert."

Sam schüttelte energisch den Kopf: "Nein, Marshal, schlag dir das mal wieder aus dem Kopf. Ich werde für so einen Blödsinn kein Menschenleben riskieren."

Davis trat in den Raum und setzte sich auf den freien Stuhl. Beschwörend blickte er die beiden anderen Crewmitglieder an: "Es ist kein Blödsinn! Es ist die einzige Möglichkeit, die wahrscheinlich mächtigste Wirtschaftsmacht auf Myrmion für uns zu gewinnen. Und das Risiko ist durchaus erträglich."

Sam schwieg und betrachtete Davis nachdenklich. Inzwischen war auch Arroway in das Labor getreten - angelockt durch das angeregte Gespräch - und es wurde langsam eng in dem kleinen Raum.

"Nur ein Wahnsinniger würde so einen Stunt versuchen", sagte Arroway. Davis grinste sie an und sie grinste zurück. "Genau so ein Wahnsinniger wie du, Davis."

"Es muß doch noch eine andere Möglichkeit geben", sagte Forster, aber er wußte nur zu gut, daß es keine gab.

Davis sah ihn an: "Angst um mich, Ben?"

"Nicht nur um dich, du Dreckskerl. Auch Angst um mich. Schließlich werde ich dich begleiten müssen."

"Wieso das?" Davis verschränkte die Arme vor der Brust.

"Weil irgend jemand die Messungen durchführen muß, während du alles tust, um das Shuttle am Verglühen zu hindern."

"Das kann auch ein Computer."

"Nicht bei einem so komplexen Phänomen. Im Prinzip wissen wir immer noch nicht, was es mit dieser Schockwelle eigentlich auf sich hat."

"Ich könnte es tun", sagte Sam.

"Natürlich", räumte Forster ein, "aber du bist die Kommandantin dieses Schiffes und deshalb nicht zu entbehren. Oder bezweifelst du, daß ich die nötigen Messungen durchführen kann?"

"Nein, natürlich nicht." Sam wußte, daß Forster ein intuitives Verständnis für das Weltall besaß, daß sogar noch das ihre überstieg.

"Und Davis und ich sind ein eingespieltes Team", fügte Forster hinzu.

"Ein eingespieltes Team?", fragte Davis spöttisch. "Wer hätte gedacht, daß ich das nochmal von dir zu hören bekomme ..."

"Hm, sagen wir, ich war händeringend auf der Suche nach Argumenten?"

"Na meinetwegen. Also wie sieht's aus, Sam? Du bist der Colonel."

Sam sah lange von einem zum anderen und dann zu Arroway. Diese zuckte mit den Schultern und nickte dann.

"Also gut. Aber ich verlasse mich darauf, daß ihr beiden kein unnötiges Risiko eingeht. Ihr fliegt dorthin, macht eure Messungen und verschwindet wieder."

"Aye, M'am. Hinfliegen, messen, verschwinden. Ein Kinderspiel."

***

Es war kein Kinderspiel. Sie hatten sich der Nova-Stoßwelle soweit im Hyperraum genähert, bis die ersten Ausläufer der Raumverzerrung - Gravitationswellen von extremen Proportionen - auf das Shuttle getroffen waren und es fast auseinandergerissen hatten. Im Normalraum angekommen, hatten sie zuerst eine interplanetare Sonde ausgesetzt, die als Relais-Station dienen würde, falls sie es nicht mehr zurück schafften. Dann hatten sie sich mit Unterlichtantrieb an die Welle heranmanövriert.

Als sie die ersten Meßdaten erhielten, stockte ihnen der Atem. Was da auf sie zukam, war so unvorstellbar gewaltig, daß es das menschliche Vorstellungsvermögen bei weitem übertraf. Ein ähnliches Gefühl mußte ein Surfer haben, der mit seinem Brett auf die Meeresbrandung zuläuft und eine fünf Kilometer hohe Flutwelle mit Überschallgeschwindigkeit auf sich zurasen sieht. Schlimmer noch. Die Nova-Flutwelle besaß die Wucht einer explodierenden Sonne und bewegte sich fast so schnell wie das Licht selbst. In der Tat bestand ihr Vorläufer aus Licht - Photonen -, das in einer so geballten Form auftrat, daß es ein ungeschützes Auge auf der Stelle geblendet hätte. Forster hatte alle Hände voll zu tun, die Meßinstrumente umzuprogrammieren, um die enormen Energiemengen vernünftig messen zu können. Die empfindlichsten Instrumente raffte es in den ersten Sekunden hinweg, während die robusteren immerhin fünf Minuten lang Daten ausspuckten, bevor auch sie von den Gewalten zerschmolzen wurden.

Die ganze Zeit über kämpfte Davis mit den Kontrollen des Schiffs, die in der Strahlenbrandung verrückt spielten und mehrmals sah es so aus, als würde er den Kampf verlieren. Es war ein echtes Höllenszenario, in das sie hier geraten waren, und bei der Vorstellung, daß sich dieses Inferno direkt auf den Planeten zubewegte, den sie schützen wollten, wurde Forster ganz anders. Für den Moment hatte er allerdings auch so schon Probleme genug, als sich auch noch über das Schicksal eines ganzen Planeten Gedanken zu machen.

Als das letzte Meßinstrument mit zuckenden Blitzen den Geist aufgab, lehnte sich Forster schweißüberströmt in seinem Sitz zurück: "Das war's. Wir haben genug Meßdaten gesammelt, daß es auch den verstocktesten Myrmianer überzeugen wird. Ab nach Hause!"

Davis nickte und wendete das Fahrzeug. Mehrere rote Warnsignale flackerten auf und erloschen wieder, als er mit der Faust dagegen schlug. "Ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache", sagte er grimmig. "Am besten schickst du die Daten schon mal an die Relais-Station weiter, damit nicht alles umsonst war."

Forster tat wie ihm geheißen, und tatsächlich keine Sekunde zu früh, denn nachdem er den Datenblock auf den Weg geschickt hatte, stellte die Funkstation unter heftigen Blitzentladungen ihre Funktion ein. Flammen schlug ihm entgegen und der Astro-Geologe kämpfte sie mit dem Feuerlöscher nieder. Ein widerlicher Ozongestank breitete sich im Cockpit aus.

Gebannt starrte Forster auf die Geschwindigkeitsanzeige. Sie rasten mit 200.000 Kilometern pro Sekunde durchs All und die Stoßwelle kam mit 220.000 Kilometern pro Sekunde unerbittlich näher.

"So wie es aussieht, werden wir die nötige Fluchtgeschwindigkeit in dreißig Minuten erreicht haben."

"Und wann erreicht uns die Stoßwelle?"

"Bei unserer derzeitigen Beschleunigung? In ungefähr fünfundzwanzig Minuten."

Ein kurzer Moment des Schweigens breitete sich aus.

"Hm ... Man braucht kein Mathe-Genie zu sein, um zu erkennen, was das bedeutet."

Die Strahlung würde durch die Außenhülle des Shuttels dringen und ihren Antrieb zerfressen. Ohne weitere Beschleunigung würden sie langsam von der Stoßwelle überspült und ihre Körper wie in einer Mikrowelle zerschmolzen werden, lange bevor sich das Shuttle selbst in seine Bestandteile zerlegen würde. Immerhin waren ihre Meßdaten schnell genug, um dem Inferno zu entgehen, ihre Mission würde also kein völliger Fehlschlag werden.

"Wir haben schon in schlimmeren Situationen gesteckt", sagte Davis trocken.

"Ach ja?", fragte Forster entnervt, "wann?"

"Nemesis", sagte Davis und Forster nickte. Der NASA-Pilot hatte recht. Als sie versucht hatten, den gewaltigen Asteroiden davon abzuhalten, die Erde in zwei Teile zu spalten, waren sie in weitaus schlimmere Situationen geraten. In MEHRERE weitaus schlimmere Situationen. Und jedesmal gerade so mit dem Leben davongekommen. Trotzdem konnte Forster die Ruhe seines Freundes nicht teilen.

"Forster ..." Davis' Stimme hatte sich verändert und war nun die von Porteus. Im Gegensatz zur Gemütsruhe seines Wirtes machte der Tok'ra einen sehr beunruhigten Eindruck. Seine Hände zitterten und er blickte den Astro-Geologen furchtsam an.

"Porteus?"

"Ben. Ich ... ich habe Angst."

"Äh ... ja?", antwortete Forster verwirrt. Der Tok'ra hatte Angst?

Porteus wandte sich ihm zu: "Mein Wirt ist die Ruhe selbst, aber ich habe schreckliche Angst. Ich befand mich nie in einer solchen Situation."

"Verstehe." Oh ja, und wie Forster ihn verstand! Er fühlte sein eigenes Herz schmerzhaft bis zum Hals pochen. Noch zwanzig Minuten. "Aber wir müssen da durch."

"Kannst du mich halten?" Die Art und Weise, wie Porteus in Davis riesenhaftem, ungehobelten Körper diese Frage stellte, hatte etwas Surreales und Rührendes an sich.

Forster hatte keine Ahnung, wie er reagieren sollte, aber dann gab er sich einen Ruck. Davis war wahrscheinlich nicht in der Lage, den Tok'ra beruhigend zuzusprechen, also hatte er ihm die Kontrolle über seinen Körper übergeben, damit ihn Forster trösten konnte. Er beugte sich vor und nahm Porteus/Davis in den Arm. So saßen sie eng umschlungen und ließen das Unausweichliche auf sich zukommen.

***

Das Peilsignal erstarb, als das kleine Shuttle von der Stoßwelle erfaßt wurde. Sam konnte nichts tun außer dazusitzen und zuzuschauen, wie ihre Freunde und Kollegen in den nuklearen Fluten verdampften. Sie fühlte eine Leere in sich, die sich langsam ausbreitete und ihre Glieder taub werden ließ. Wieder hatte jemand ihren Fehler, die Supernova auszulösen, mit dem Leben bezahlt. Wie viele weitere würden folgen?

"Sam ..." Ellie Arroway war die ganze Zeit dabei gewesen und legte nun einen Arm um die Schulter des Colonels. Dankbar lehnte sich Sam an die Exo-Biologin an, die ausgesprochen blaß war, die Sache ansonsten aber mit Fassung trug.

"Ich fühle mich so müde", sagte Sam und spürte, wie ihr die Tränen in die Augen schossen.

"Nicht dagegen wehren", sagte Ellie und hielt Sam fest, als diese sich losließ und die ganze Anspannung der letzten Tage und den Tod ihrer Kollegen hinausweinte. Schließlich konnte auch Ellie ihre Tränen nicht mehr zurückhalten und gemeinsam betrauerten sie den Verlust ihrer Freunde.

Nachdem sie sich wieder einigermaßen gefangen hatten, brachte Ellie den Colonel auf ihr Quartier und gab ihr ein paar Schlaftabletten: "Ruh dich erst einmal aus. Danach entscheiden wir, was zu tun ist." Sam nickte matt und legte sich im rot umränderten Augen ins Bett.

Erschöpft kehrte Ellie ins Labor zurück und begann damit, die verstreuten Unterlagen zu ordnen und die von Forster und Davis gesandten Daten auszuwerten. Sie mußte einfach irgendetwas tun, um sich abzulenken. Später würde sich sich auch etwas Schlaf gönnen, denn es lag noch ein langer beschwerlicher Weg vor ihnen, und zu zweit würde es noch weitaus schwieriger werden. Vielleicht zu schwierig? Sie wollte nicht darüber nachdenken. Sie würde später auch schlafen gehen. Aber jetzt noch nicht. Noch nicht.

***

Ellie schreckte aus dem Schlaf hoch. Anscheinend war sie mitten im Labor einfach eingeschlafen, bevor sie den Weg zu ihrem Labor geschafft hatte. Das, was sie geweckt hatte, schwebte direkt vor ihr im Raum. Es war ein kleiner grauer Alien.

Ein Asgard! Langsam nahmen die Gehirnzellen der Exo-Biologin wieder ihre Arbeit auf: "Äh ... was?"

"Ich grüße dich, Doktor Ellie Arroway", ein leichtes Flackern verriet der Angesprochenen, daß sie es mit einem Hologramm zu tun hatte - Gott allein mochte wissen, wie die Asgard das machten. "Wir treten in einigen Sekunden in euren Raumsektor ein und bitten darum, die Nova an Bord nehmen zu dürfen."

Die Nova an Bord nehmen zu dürfen? Trotz ihrer Erschöpfung mußte Ellie schmunzeln. Dann überkam sie die schmerzhafte Erinnerung und sie murmelte ärgerlich: "Warum konntet ihr nicht ein paar Stunden vorher kommen?"

Obwohl sie sehr leise gesprochen hatte, verstand sie der Asgard und antwortete auch prompt: "Das war uns leider nicht möglich, weil wir ein in Not geratenes Shuttle retten mußten. Die beiden Insaßen waren Marshal Davis und Ben Forster, deshalb habe ich mich erlaubt, sie an Bord zu nehmen und hierher zu bringen."

"Sie sind am Leben?" Ellie war aufgesprungen.

"Sie sind wohlauf. Leider war das Shuttle nicht mehr zu retten."

"Das ist doch völlig egal! Wo sind sie?"

Der Asgard "blinkte" mit den Augen: "Wie ich schon sagte, befinden sie sich an Bord. Unser Schiff - die Carter - ist soeben längsseits zur Nova gegangen. Dürfen wir euch an Bord holen?"

"Ja klar, tut euch keinen Zwang an!"

Der Asgard nickte und löste sich in Luft auf. Als nächstes ging ein leichtes Beben durch das Schiff. Weitere Hinweise gab es nicht, daß sich die Nova vom Traktorstrahl der Carter erfaßt und in den Hangar gelenkt wurde. Ellie stürmte derweil in Sams Quartier und weckte den Colonel, der gerade erst eingeschlafen war.

"Woah. Ellie? Was ist los?", fragte die völlig übermüdete Sam. Nachdem die Exo-Biologin ihren Bericht beendet hatte, war sie wieder hellwach. Eilig zog sie sich an und stand gerade rechtzeitig an der Einstiegsluke, als diese von außen aktiviert wurde und sich herabsenkte. Draußen wartete ein sehr vertrautes Gesicht auf sie.

"Daniel!" Sam stürmte los und fiel dem Archäologen um den Hals. "Es ist so schön, dich hier zu haben." Der überrumpelte junge Mann erwiderte die Umarmung mit einem Lächeln.

"Hey, und was ist mit mir?" Diese Stimme ...

"Jack?"

Der ehemalige Colonel trat hinter Daniel durch die Luke und grinste ein O'Neill-Grinsen: "Ich dachte ich schau mal nach, was der klügste Kopf der Menschheit gerade so macht."

Die Überarbeitung, die Anspannung, die Trauer, die Schlafmittel, die Erleichterung und nun die Anwesenheit ihrer besten Freunde, das alles war einfach zuviel für Sam. Während sie noch auf Jack zutaumelte, wurde es ihr schwarz vor Augen.

***

Als sie wieder erwachte, lag sie auf einem weichen Bett und war nur von Freunden umgeben. Jack hielt ihre Hand, Daniel lächelte und Teal'c nickte ihr freundlich zu. Auch Arroway war da - und Davis und Forster, die beiden Totgeglaubten. Zwischen all diesen großgewachsenen Menschen schob sich eine kleine Gestalt hervor. Thor. Sie lächelte ihn an und er blinkte mit den Augen, ein deutliches Zeichen seiner Freude. In seiner Stimme klang jedoch Besorgtheit mit: "Samantha. Ich gebe dir erst einmal Zeit, dich zu erholen und mit deinen Freunden zusammen zu sein. Danach werden wir uns unterhalten müssen. Ein längeres Gespräch."

Sam nickte, war aber im Moment viel zu glücklich, um sich mit den bevorstehenden Problemen auseinanderzusetzen. Dafür war später noch genug Zeit.

***

Sie saß sauber und ausgeruht auf einem Sessel in der Beobachtungskanzel der Carter und blickte auf den Planeten Myrmion hinab - die Ähnlichkeit mit der Erde war noch immer schmerzhaft offensichtlich. Ihr gegenüber saß Thor und wenn sie den Gesichtsausdruck des Asgard richtig las, war er sehr nachdenklich.

"Es freut mich, dich völlig erholt zu sehen."

"Danke, Thor. Danke für alles."

"Du weißt, wieviel das Volk der Asgard dir zu verdanken hat. Jede Hilfe, die ich dir zukommen lasse, ist nur - wie nennt ihr es - ein Wassertropfen auf einer erhitzten Steinformation verglichen mit dem, was du für uns getan hast. Aber leider reicht die Technologie der Asgard nicht aus, um diesen Planeten vor den Auswirkungen der Supernova zu schützen."

"Da bist du dir sicher?", hakte Sam sofort nach. Die Asgard waren eine hoch entwickelte Zivilisation, aber sie hatten auch ihre Schwächen. Eine davon war ein Mangel an Improvisationsvermögen.

"Ich habe dir bereits die Daten der Schutzvorrichtungen gesandt, die wir für solche Zwecke gebaut haben. Die Vorrichtungen bauen einen Schutzschild auf, der der Energie einer Supernova-Stoßwelle widerstehen kann, die sich bereits über einige Lichtjahre ausgebreitet hat. Die im Vorash-System ausgelöste Supernova übersteigt die Energie einer Standard-Supernova allerdings um den Faktor 1200. Die auftreffende Energie würde nur unausreichend vom Schutzschild abgelenkt und sich folglich vor diesem aufstauen, bis er ihr nicht mehr widerstehen kann. Dies wird fünf Standard-Stunden nach dem ersten Aufteffen der Stoßwelle der Fall sein."

"Was ist wenn wir mehrere Schilde miteinander kombinieren?"

"Das ist nicht möglich."

"Wieso das? Wir stellen die Schildprojektoren einfach hintereinander auf ..."

"Die Schilde würden nach und nach zerstört. Der Planet wäre dennoch verloren."

"Und wenn wir einfach einen größeren Projektor bauen?"

"Das wäre theoretisch möglich. Allerdings hat der Entwurf und Bau der momentan verfügbaren Schutzvorrichtung etwa 1000 Standard-Jahre erfordert. Der Entwurf und Bau einer größeren Vorrichtung würde mindestens ebensoviel Zeit erfordern."

"Diese Vorrichtungen - es hat tausend Jahre gedauert, sie zu entwerfen?" Wieder einmal staunte Sam über die Asgard. Das war eine Zivilisation, mit der sich die Menschheit nicht im Mindesten messen konnte.

"Das ist richtig, Samantha."

"Dann habt ihr die Dinger schon eine Weile?"

"Sie befinden sich seit ungefähr 80.000 Standard-Jahren in unserem Gebrauch. Wir verwenden sie, um von Supernovae und ähnlichen Phänomenen gefärdete Planeten zu schützen."

"Das heißt, ihr habt ein paar von diesen Vorrichtungen im Vorraus gebaut, damit ihr sie bei Bedarf einsetzen könnt?"

"Das ist richtig. Der Bau einer Vorrichtung erfordert viele Jahre."

"Und ihr könnt sie hierher schaffen?"

"Zehn Vorrichtungen befinden sich auf dem Weg hierher und werden in fünf Standard-Tagen eintreffen."

"Wie kann ich mir diese Vorrichtungen vorstellen?"

"Ich werde es dir zeigen." Thor aktivierte sein Armband und das Hologramm einer Weltraum-Plattform erschien über ihren Köpfen. Die Plattform besaß ungefähr die Ausmaße eines Football-Stadions und sah auch so ähnlich aus. Das wird Jack sicherlich auch auffallen, dachte Sam schmunzelnd.

"Was erheitert dich, Samantha?" fragte Thor. Der Asgard wurde immer besser in der Analyse menschlicher Regungen.

"Nichts." Sam konzentrierte sich wieder auf das vorliegende Problem. "Diese Football ... ähm ... Weltraumplattform schwebt frei im All und projeziert das Schutzfeld über dem Planeten?"

"So ist es. Durch Manöverdüsen befindet sich die Vorrichtung immer zwischen dem Planeten und der Stoßwelle."

"Hm. Wie genau funktioniert dieses Schutzfeld eigentlich."

"Nun, durch mehrere Kirlon-Generatoren wird extra-planare Masse auf zehntausendfache Lichtgeschwindigkeit beschleunigt ..."

"Halt!"

"Ja, Samantha?"

"Was ist extra-planare Masse?"

"Damit bezeichnen wir vier-, fünf- und sechsdimensionale Masse, die ..."

"Okay, okay! So kommen wir nicht weiter. Wenn man das Schutzfeld mit dem Magnetfeld eines Planeten vergleicht ..."

"Der Vergleich ist zutreffend. In der Tat wird ein äußerst starkes Magnetfeld aufgebaut."

Sam hatte eine Idee: "Was wenn man das Schutzfeld mit dem Magnetfeld eines Planeten kombiniert?"

"Das ist nicht möglich."

"Warum?"

"Weil die Schutzvorrichtung im All installiert werden muß."

"Was ist wenn man sie AUF dem Planeten installiert?"

Thor schwieg. Dann sagte er: "Das wäre unpraktikabel."

"Warum?"

"Weil der Planet rotiert. Es ist viel praktikabler, eine Schutzvorrichtung im All zu installieren, die sich immer zwischen dem Planeten und der Stoßwelle befindet ..."

"Und wenn man mehrere Schutzvorrichtungen kombiniert, um den ganzen Planeten zu schützen?"

"Das wäre möglich."

"Und würde es etwas bringen? Ich meine, würde das künstlich erzeugte Schutzfeld durch das Magnetfeld des Planeten verstärkt?"

"Das muß noch berechnet werden. Aber ich würde sagen ja."

Manchmal raubte ihr dieser Asgard den letzten Nerv! "Ja? Das ist alles? Einfach ja? Wie stark würde das Schutzfeld verstärkt?"

"Das muß noch berechnet werden."

"Wie wäre es mit einer Schätzung?"

"Ich würde schätzen ... um den Faktor 100.000."

"Einhunderttau ... ??? Soll das bedeuten ..."

Thor sah zu Boden. Es wirkte fast so, als würde er sich schämen: "Das bedeutet, daß du eine Lösung gefunden hast, Samantha. Wir ... haben diese Möglichkeit nicht in Betracht gezogen."

Er schaute auf und sah sie lächeln. Und das Herz des Asgard tat einen Sprung. Er wußte tief in seinem Innern, daß er es hier mit einem ganz außergewöhnlichen Exemplar der menschlichen Spezies zu tun hatte. Geboren, um alle Schranken zu überwinden, um alle Grenzen nach außen zu verschieben. Die Asgard hatten schon lange kein Wort mehr für ein solches Wesen, aber er hatte bei seinen Reisen durch die Milchstraßen-Galaxie ein Wort gelernt, das dem sehr nahe kam: Göttin. Zerstörerin und Erretterin von Welten.

"Es müssen noch viele Berechnungen durchgeführt werden, Samantha. Die Schutzvorrichtungen müssen auf dem Planeten gelandet und installiert werden. Die Mithilfe der gesamten Planetenbevölkerung wird nötig sein. Es wird viel Zeit und Ressourcen verbrauchen."

"Aber es ist möglich. Es ist möglich."

"Ja. Es ist möglich."

***

Jahr 2006

Marshal Davis grinste breit: "Kommen sie klar mit dem Aggregat, Colonel?"

Jack wankte unter dem Gewicht des 35 Kg-Bauteils, aber er ließ es nicht fallen. "Colonel A. D. !", sagte er grimmig.

"Ja ja", erwiderte Davis und zuckte spielerisch zusammen, als Jack die Metallröhre geräuschvoll auf die Laderampe wuchtete. "Vorsicht, Colonel A. D. Das sind empfindliche Bauteile." Damit hob er die Röhre an und legte sie sich auf die Schulter, als handelte es sich um ein Leichtgewicht.

Jack murmelte einen leisen Fluch und wischte sich den Schweiß von der Stirn, während er zur Lagerhalle zurückging, wo noch weitere zwanzig Aggregate auf ihn warteten. Nun war er also zum Lagerarbeiter herabgesunken ... schöner Mist! Gleichzeitig erinnerte er sich daran, warum er das hier machte und ein Lächeln spielte über seine Lippen und ließ die Anstrengung und unerträgliche Hitze von P1Z003 vergessen.

Die Nova hatte den Stützpunkt angeflogen, nachdem die Aufbau-Arbeiten des Schildprojektors auf Myrmion abgeschlossen waren. Die Unterweisung des Fachpersonals für die planetenweite Anlage würden Thor und seine Leute übernehmen, während die Nova ihre Aufgabe fortsetzte, das weitere Gebiet um die Supernova nach gefährdeten Planeten abzusuchen. Jetzt, wo sie das Überleben von Myrmion gesichert hatten, hatte sich die Stimmung an Bord deutlich verbessert. Nicht ganz unbeteiligt an dieser Veränderung war auch das Hinzufügen eines neuen Besatzungsmitglieds: Jack O'Neill. Weil er nicht wollte, daß seine Aufgabenbezeichnung bald "Sams Kerl" oder gar "Fünftes Rad am Wagen" lauten würde, tat er alles um sich an Bord nützlich zu machen. Dazu gehörte Kochen, Putzen (zwei Dinge, von denen er als Soldat eine Menge verstand), Wachdienst an den Sensoren und ... das Beladen des Schiffs. Obwohl er zugeben mußte, daß sich die anderen ebenfalls gebührend an dieser Arbeit beteiligten.

In der Lagerhalle traf er Ben Forster, der von einer auseinandergebauten Sensorphalanx aufblickte: "Hey, Colonel!"

"Colonel A. D. !"

"Ja ja ..."

Jack ging zum Stapel mit den Aggregaten und hob eins davon mit einem Stöhnen hoch. Ben sah ihn nachdenklich an: "Hey, Jack, übertreib es nicht. Wir haben noch 48 Stunden, bis Sam und Ellie zurückkommen. Und wenn du dir bis dahin einen Bandscheiben-Schaden zugezogen hast, wird mich der Colonel umbringen. Und du wirst die nächsten Wochen in der Krankenstation verbringen, statt an Bord der Nova."

Das letzte Argument wirkte. Jack legte das Bauteil vorsichtig ab und setzte sich darauf. "Wieso sind die Dinger eigentlich so schwer?"

"Naquada."

"Verstehe."

Jack zog seine Feldflasche hervor und trank einen Schluck Wasser. Das widerum nahm Ben zum Anlaß, seine Arbeit erst einmal ruhen zu lassen. Er zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben den Colonel. "Darf ich dir eine persönliche Frage stellen?"

"Hängt davon ab."

"Bist du zufrieden damit wie sich die Dinge entwickelt haben?"

"Hm?" Nachdenklich wippte O'Neill auf dem Naquada-Aggregat vor und zurück, "keine leicht zu beantwortende Frage. Wir haben das Sternentor entdeckt und es hat uns zu neuen Horizonten geführt. Wir sind den Goa'uld begegnet und haben im Krieg gegen sie eine Menge Leute verloren. Eine Menge gute Leute. Aber wir haben sie besiegt. Unzählige Male standen wir vor der völligen Auslöschung, und jedesmal haben wir den drohenden Untergang abgewendet. Und überlebt. Ich denke ich bin zufrieden."

"Ich meinte eigentlich mehr unsere augenblickliche Lage."

"Unsere augenblickliche Lage? Nun, sie unterscheidet sich nicht so sehr von dem, was ich gerade gesagt habe. Wir stehen vor schier unüberwindlichen Hindernissen und überwinden sie dennoch. Nicht zuletzt wegen ..."

"... Sam."

Jack lächelte. "Nicht zuletzt wegen Sam. Wieviele Sonnensysteme müssen wir noch erkunden?"

"An die Fünftausendfünfhundert."

"Eine Menge zu tun also. Ich freue mich darauf."



--- Ende (?) ---